Die Sammlung bis zum Tag 70 findet sich unter Ukraine-Report
27.6.25
Während der Kreml weiterhin Zuversicht demonstriert, verdichten sich hinter den Kulissen die Hinweise auf eine mögliche Bankenkrise. Russische Banken zeigen sich besorgt, und Insiderberichte zeichnen ein düsteres Bild: Die russische Wirtschaft wankt und eine Welle fauler Kredite droht, das ohnehin fragile Gleichgewicht ins Wanken zu bringen – mit weitreichenden Folgen für den gesamten Staatsapparat. Banken schlagen Alarm, dass aufgrund hoher Zinsen eine wachsende Zahl von Firmen- und Privatkunden ihre Kredite nicht bedienen könne.
In seiner Rede auf Russlands wichtigstem Wirtschaftsforum beanspruchte Wladimir Putin nicht nur die Krim oder den Donbass – er beanspruchte die gesamte Ukraine. „Alles gehört uns“, erklärte er unter tosendem Applaus und enthüllte damit den rohen, imperialistischen Ehrgeiz, der sich offenkundig versteckte. Doch der Widerstand wächst. Selenskyj und Trump sind überraschend einig : Putin wird diesen Krieg nicht gewinnen. Trump, einst ein Putin-Sympathisant, bezeichnet den Krieg nun offen als „außer Kontrolle“, während Selenskyj auf mehr Luftabwehr und eine stärkere Front drängt. In einem historischen Schritt haben die Ukraine und der Europarat ein spezielles Kriegstribunal eingerichtet, um Russlands hochrangige Politiker wegen Aggressionsverbrechen anzuklagen. Der Kreml spottet, doch die Botschaft ist klar: Das Zeitalter der Straflosigkeit könnte enden.
Laut Angaben aus Kiew hat Nordkorea bereits bis zu 11.000 Elitesoldaten entsandt, um Russland in seinem Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Das erklärt der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov bei einer Pressekonferenz, wie ukrainische Medien berichten. Dies entspreche mehr als 20 Prozent der insgesamt 50.000 Soldaten aus der sogenannten „persönlichen Reserve“ des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un. „Es handelt sich um Soldaten, die nach physischen, psychologischen und anderen Kriterien speziell ausgewählt wurden“, sagt Umerov. „Diese Einheiten haben bereits erhebliche Verluste erlitten.“ Kim erwäge, zusätzliche Truppen nach Russland zu entsenden, so der Minister. Dies würde Umerov zufolge jedoch die strategischen Reserven Nordkoreas schmälern und die Risken für die Stabilität des Regimes erhöhen.
Merz sagt auf die Frage, ob er bei US-Präsident Donald Trump beobachte, dass sich dieser von Putin distanziere: „Der US-Präsident zeigt eine wachsende Skepsis und wird kritischer. Das ist ein Prozess. Es gibt in Europa eine große Übereinstimmung in der Bewertung dieses Krieges. Ich glaube, Präsident Trump nähert sich dieser Einschätzung an.“
Russland will Entscheidungen des geplanten Sondertribunals zur Militäroffensive gegen die Ukraine nicht anerkennen. „Die Arbeit und die Entscheidungen dieses Organs werden für uns keine Bedeutung haben“, sagt die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. „Wir werden den Beitritt eines jeden Staates als einen feindlichen Akt ansehen.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Mittwoch im Europarat in Straßburg ein Abkommen für die Einrichtung eines Sondertribunals zur russischen Offensive gegen sein Land unterzeichnet. Das Tribunal soll das „Verbrechen der Aggression“ gegen die Ukraine ahnden und die politischen und militärischen Verantwortlichen aus Russland zur Rechenschaft ziehen.
Mehr als 20.000 russische Soldaten wurden seit Kriegsbeginn strafrechtlich verfolgt, weil sie sich weigerten, in der Ukraine zu kämpfen, berichtet das unabhängige russische Portal Mediazona. Es beruft sich auf Onlinedaten von Militärgerichten. 20.538 solcher Fälle wurden demnach bis Ende Mai dokumentiert. Die Zahl hat sich somit seit Juni 2024, wo es 10.025 waren, mehr als verdoppelt. Unter den 20.538 Fällen sind 18.159 Soldaten unerlaubt abwesend gewesen, 1369 hatten Befehle verweigert und 1010 desertierten. Insgesamt 17.721 Personen wurden bereits verurteilt. Ein Insider berichtet dem Portal, dass Moskau „Gulag-artige“ Misshandlungen anwende, um „die Ordnung aufrechtzuerhalten“ und Täter zu bestrafen.
Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) bestätigt in ihrem neuen Bericht, dass russische Streitkräfte die giftige chemische Substanz 2-Chlorbenzylidenmalononitril gegen ukrainische Soldaten eingesetzt haben. Der Einsatz des sogenannten CS-Gases stelle einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Zu dem Schluss kommen OPCW-Experten, nachdem sie bei einem Besuch in der Ukraine Unterlagen und Augenzeugenberichte gesammelt hatten. Ausgewertet wurden Umweltproben: zwei Granatenhülsen, zwei Bodenproben, zwei Vegetationsproben und die Überreste einer FPV-Drohne. „Die wiederholte Entdeckung von Granaten mit Kampfstoffen in der Nähe aktiver Konfliktgebiete in der Region Dnipropetrowsk ist äußerst besorgniserregend“, sagt OPCW-Generaldirektor Fernando Arias. „Dies ist bereits der dritte bestätigte Vorfall dieser Art und unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die Einhaltung der Chemiewaffenkonvention zu stärken.“
Die Ukraine habe die Sommeroffensive Russlands gebremst, sagt Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj. „Aufgrund der Ergebnisse der Monate Mai und Juni können wir sagen, dass die diesjährige Welle der feindlichen Sommeroffensive aus russischem Gebiet ins Stocken geraten ist“, sagt er.
Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski ist überzeugt, dass Russland ein neues Wettrüsten mit dem Westen verlieren würde. Kreml-Chef Wladimir Putin werde es dabei genauso ergehen wie Sowjetführer Leonid Breschnew, sagt Sikorski. „Er hat selbst einmal gesagt, dass die Sowjetunion zusammengebrochen sei, weil sie zu viel für die Rüstung ausgegeben habe, und jetzt macht er genau dasselbe“, führt Sikorski aus. Der russische Präsident führe in der Ukraine einen „sehr teuren Krieg“, sagt der Außenminister.
Die Schweiz will Flüchtlinge aus der Ukraine künftig nur noch dann ohne langes Verwaltungsverfahren aufnehmen, wenn sie an ihrem heimischen Wohnort konkret an Leib und Leben gefährdet sind. Alle anderen müssen sich einem Asylverfahren stellen, wie die Regierung beschlossen hat. Sie will sich aber mit der EU abstimmen und wartet noch Konsultationen mit den Kantonen ab. Umgesetzt würde die Maßnahme nach derzeitigen Plänen im Herbst. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) soll bei neuen Anträgen nun zwischen „sicheren“ und „unsicheren Regionen unterscheiden. Ukrainer, die bereits in die Schweiz geflohen sind, sind davon nicht betroffen. Für sie werden aber die Auflagen verschärft: Wer sich mehr als 15 Tage pro Halbjahr in der Ukraine aufhält (bisher waren 15 Tage pro Quartal erlaubt), verliert den besonderen Flüchtlingsstatus. In der Schweiz leben noch knapp 69.000 Menschen aus der Ukraine mit einem besonderen Flüchtlingsstatus.
Aus Informationen der Nato geht hervor, dass der russische Präsident Wladimir Putin an die Fähigkeit der russischen Streitkräfte glaubt, einen Durchbruch zu erzielen. Er hält deshalb an seinen Angriffen ohne Rücksicht auf Verluste fest und wird diese sogar intensivieren, sagt ein hochrangiger Nato-Beamter beim Gipfeltreffen in Den Haag. „Wir erwarten, dass Russland trotz der schweren Verluste, die es erleidet, seine Taktik der kleinen Gebietsgewinne fortsetzt“, sagte der Mann, der anonym bleiben wollte.
Die russischen Streitkräfte setzen entlang der Frontlinie in der Ukraine zunehmend Motorräder ein, wie das Institute for the Study of War schreibt. Ein Angehöriger einer Brigade erklärte demnach, dass russische Motorradtruppen nicht mehr entlang von Straßen angreifen, sondern hauptsächlich über offene Felder. So versuchten sie, ukrainische Barrieren entlang der Frontlinie zu überwinden. Das ISW geht davon aus, dass die russischen Streitkräfte wahrscheinlich zunehmend auf Motorräder und andere schnellere, ungepanzerte Fahrzeuge angewiesen sein werden, da langsamere Fahrzeuge auf dem gut einsehbaren Schlachtfeld zu einer Gefahr geworden sind. Diese Taktik könnte das Militär auch „in künftigen Kriegen außerhalb der Ukraine, möglicherweise auch bei Operationen gegen NATO-Staaten, einsetzen“, so die Einschätzung der Analysten.