Schweizer Geisel getötet

10.10.20 Eine Schweizerin ist in Mali vor vier Jahren von Terroristen entführt worden. Nun wurden die Schweizer Behörden über ihren Tod informiert.

Beatrice Stöckli (59) sei offenbar schon vor einem Monat von den Entführern der islamistischen Terrororganisation Jama’at Nasr al-Islam wal Muslimin (JNIM) getötet worden. Die französischen Behörden seien von der freigelassenen französischen Geisel Sophie Pétronin * über die Hinrichtung der Schweizerin informiert worden, hiess es im EDA .

*Die 76-jährige Sophie Pétronin wurde von 2016 bis 2020 in Mali als Geisel festgehalten. Im Oktober 2020 kam sie frei. Nun ist sie 2021 zurückgegangen. Die französische Regierung verurteilt ihren Entscheid als «verantwortungslos».

Die Frau, die seit Jahren in Timbuktu als Missionarin tätig war, war Anfang 2016 bereits zum zweiten Mal entführt worden. Die Baslerin war bereits im April 2012 ein erstes Mal von Islamisten verschleppt worden.

Aussenminister Cassis reagierte laut Mitteilung «mit grosser Betroffenheit» auf die Nachricht. «Ich verurteile diese grausame Tat und spreche den Angehörigen mein tief empfundenes Beileid aus.» Die Schweiz setze alles daran, mehr über die Umstände der Tötung und über den Verbleib der sterblichen Überreste zu erfahren. Dafür werde das EDA auch an die Übergangsregierung in Mali gelangen. mehr Informationen

Schon im April 2012 harrte Beatrice S. rund zehn Tage als Geisel der Islamisten. Lösegeld floss keines. Bedingung für die Freiheit war das Timbuktu-Verbot. 2013 ging sie an den alten Wirkungsort zurück, nachdem die französische Armee die Ansar Dine aus Timbuktu vertrieben hatte.

Vor bald fünfzehn Jahren zog Beatrice S. in die Oasenstadt Timbuktu, die in der südlichen Sahara liegt. Gemäss Jörn Andre, Gründer der Mission «Neues Leben Ghana», arbeitete die Baslerin zuerst für sein Werk und später selbstständig.

Sie habe sich besonders für die Ärmsten der Armen engagiert: «Sie sammelte die bettelnden Kinder ein, gab ihnen zu essen, spielte und sang mit ihnen, erzählte Geschichten aus der Bibel. Hier würde man es Kinderstunde nennen.»

Auch habe sie sich für Frauen eingesetzt, ihnen das Nähen beigebracht und sich ihrer Probleme angenommen.  mehr Informationen

Ihre grosse Familie waren die Armen und Kranken der Nachbarschaft, verrohte Kinder, denen sie Zuneigung zu Streitgefährten und streunenden Tieren beibrachte, statt diese zu quälen. Sie lehrte die Kleinen Lesen und Schreiben, nicht an Hand des Koran wie in den Moscheeschulen, sondern von Märchen und Kindergeschichten. Aus dem heiligen Buch der Muslime zog sie allerdings die Stellen heran, die von Jesus handelten.

Der radikale Islam verbietet es allerdings Christen, den Koran zu lesen und schon gar aus ihm vorzulesen. Doch in Timbuktu waren die Islamisten zunächst ganz mit dem Zerstören der «götzendienerischen» Bauwerke beschäftigt. Auf «Mutter Beatrice», wie sie alle nannten, wurden die Terrormilizen erst aufmerksam, als ein benachbarter Moscheeprediger sie als «Missionarin» verzeigte. Die «Ansar al-Islam» verschleppten sie aus der Stadt in einen Wüstenschlupfwinkel. Dort wurde Stöckli gequält und zum ersten Mal mit ihrer Ermordung bedroht, um sie zur Verleugnung Jesu und Übertritt zur Lehre Mohammeds zu zwingen.

Ihre damalige Rettung verdankte die «Marabuta» einem hastigen Rückzug der Freischärler vor französischen und anderen EU-Truppen. Sie wollten sich angesichts ihrer Niederlage nicht mit einem Mord belasten und liessen Beatrice Stöckli frei. Mit der Warnung, ja nicht nach Timbuktu zurückzukehren und überhaupt dass Missionieren bleiben zu lassen. Nach der Zersplitterung von Ansar und AQMI glaubte die tapfere Schweizerin aber, nicht mehr direkt gefährdet zu sein. Sie kehrte als Mutter der Armen, Kranken und Unwissenden, als stille Zeugin für Jesus an ihre Wirkungsstätte zurück.

Sie hatte aber nicht mit dem Wiedererstehen des Islamterrors in der JNIM gerechnet. Vor vier Jahren wurde sie mit EntwicklungshelferInnen aus Frankreich, Italien und auch Mali wieder entführt. Die Verhandlungen um die Freilassung der Gruppe zogen sich in die Länge. Wenn Stöckli nicht in diesen Austausch gegen hunderte gefangene Dschihadisten einbezogen wurde, hing das – wie inzwischen bekannt – mit ihrem besonderen Bezug zu Timbuktu zusammen. Für sie war Freilassung der Hauptverantwortlichen an der Moscheezerstörung von 2012 gefordert, worauf nicht eingegangen wurde.

Damit war die Schweizerin für ihre Entführer wertlos geworden. Mit ihrem geduldigen Ertragen von Hunger und Durst, Schlägen und schmerzhaften Fesselungen reizte die Märtyrerin ihre Peiniger erst recht. Da prallten das Vorbild Jesu als stummes Lamm an der Schlachtbank und die teuflische Zerstörungswut der Islamisten aufeinander. Als denen – so berichten die befreiten Geiseln – die Geduld riss, schleppten sie Beatrice Stöckli in ein «Warr» hinaus, eine Schottermulde der Steinwüste. Dann verhallten Schüsse in der bedrückenden Einsamkeit…  mehr Informationen

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