Türkische Notenbank trickst Erdogan aus

Statt sich an eine offizielle Zinserhöhung heranzutrauen, die bei Erdogan in Ungnade gefallen wäre, überlegten sich die Zentralbanker aber noch einen ganz anderen Kniff: Sie boten den Geschäftsbanken einfach seit dem Wochenbeginn gar kein Geld mehr an, für das der Haupt-Zinssatz von 17,75 Prozent fällig gewesen wäre.

Die Banken, die Verbraucher und Unternehmen mit Krediten versorgen, mussten daher auf den sogenannten Übernachtzins ausweichen – mit 19,25 Prozent liegt der klar höher. So könnte sich die Menge des umlaufenden Geldes verknappen – und vielleicht die sehr hohe Inflation entspannen, die zuletzt bei 15,9 Prozent gelegen hatte.

Unter normalen Umständen wäre eine offene Leitzins-Erhöhung naheliegend. Höhere Zinsen halten Anleger tendenziell davon ab, ihr Geld abzuziehen, weil Finanzanlagen in der Türkei wieder attraktiver werden. Dadurch wird die Lira tendenziell gestärkt. Sind die Zinsen dagegen zu niedrig, kann wegen der Unsicherheit um den Wert der Lira in Kombination mit der hohen Inflation Kapitalflucht folgen. Dadurch geriete die Lira weiter unter Druck – es droht ein Teufelskreis.

Doch in der Türkei ist alles anders. Denn Erdogan wettert seit Langem gegen eine ominöse „Zinslobby“ mit „westlicher Geisteshaltung“, die sich auf Kosten der Türkei bereichere. Die gängige Wirtschaftslehre stellt er auf den Kopf: Hohe Zinsen hält er nicht für ein Mittel gegen Inflation, sondern für deren Treiber.

Unklar bleibt, ob Erdogan diese Strategie – sofern er im Detail von ihr weiß – eher ärgert oder freut. Einerseits untergräbt sie seine im populistischen Ton vorgetragenen Forderungen. Andererseits gibt sie die Möglichkeit, das Nötige zur Bekämpfung der Lira-Krise zu tun – ohne dass der Staatschef öffentlich Fehler oder Schwächen einräumen muss.  mehr Informationen

In der Türkei hat ein Gericht erneut die Freilassung des US-Pastors Andrew Brunson abgelehnt. Nach mehreren Tagen der Erholung verlor die Lira daraufhin am Freitag noch einmal stark an Wert. Zum Mittag gab die Währung im Verhältnis zum US-Dollar bis zu knapp acht Prozent nach. Auch zum Euro ging es ähnlich stark bergab. mehr Informationen

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