Jesu überraschende Aussage über den Weg

Jesus sagt in Johannes 14,6: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“.

Das ist die Antwort auf die Frage von Thomas, wie wir an denselben Ort kommen können, an den Jesus hingeht, um beim himmlischen Vater für uns einen Lebensraum vorzubereiten.

Das ist eine steile Ansage von Jesus in einer interpretationsorientierten Kultur. Das Judentum zeichnet sich gerade dadurch aus, dass jeder Rabbi seine eigenen Erklärungen findet und damit seinen Weg definiert.

Als wir die Synagoge in Basel besuchten, wurde uns augenzwinkernd und doch ernsthaft gesagt: Wenn zehn Juden beieinander sind, gibt es elf Meinungen.

Was meint Jesus, wenn er sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“? (Johannes 14,6).

Was verbinden wir mit dem Wort Weg?

Was mir als erstes auffällt: Auf einem Weg kommt man schneller und besser voran. Beim Orientierungslauf habe ich immer darauf geachtet, über Wege möglichst nah ans Ziel zu kommen, um nicht plötzlich im Dickicht zu landen. Mit unserer Familie sind wir oft gewandert. Mein Vater meinte manchmal, man könnte auch abkürzen. Aber die Erfahrung war immer wieder, dass wir nicht mehr weiterkamen oder an einem Ort landeten, an den wir gar nicht wollten.

Im jüdischen Kontext hat der Weg noch eine zusätzliche Bedeutung. Die 613 Gebote und Verbote, die auf der Torah (den fünf Büchern Mose) basieren, werden Halacha genannt, was vom hebräischen lecha (לְךָ) „gehen“ abgeleitet ist und Weg bedeutet. Das jüdische Gesetz ist ein Weg, den man ein Leben lang gehen soll. Wobei nicht alle 613 Gebote und Verbote wörtlich in der Torah stehen, sondern auch rabbinische Schlussfolgerungen aus dem Text sind.

Jesus sagt mit „Ich bin der Weg“: Ich bin die richtige Auslegung der Torah. Das heißt, bei Jesus lernen wir, wie wir mit dem Gesetz umgehen sollen. Bei der Ehebrecherin in Johannes 8,11 sagt Jesus: „Ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr!“ Jesus hebt die Forderungen des Gesetzes nicht auf, sondern gibt eine neue Chance.

Auch wir neigen dazu, persönliche Meinungen in die Auslegung einfließen zu lassen. Die Herausforderung besteht darin, den ursprünglichen Sinn der guten, göttlichen Gebote zu erkennen und uns mit viel Barmherzigkeit danach auszurichten.

Wahrheit ist das zweite Schlüsselwort. In Johannes 18,38 fragt Pilatus Jesus: „Was ist Wahrheit?“

Diese Frage ist auch heute aktuell. Ist bei einem Menschen das wahr, was er von sich sagt, oder was wir sehen und analysieren können? Trotz aller Hormonbehandlungen verändern sich die Chromosomen nicht und sobald die künstlichen Hormone abgesetzt werden, verändert sich der Körper wieder. Ein Dilemma. In Kanada gibt es sogar einen älteren Mann, der von sich behauptet, er sei ein Kind. Darf er nun wieder zur Schule gehen?

Darf ich behaupten, dass eins und eins drei ergibt? Wenn das für mich wahr ist, wer kann mir dann mit welchem Recht sagen, dass es nicht stimmt?

Problematisch wird es auch bei den Werten. In der beziehungsorientierten Kultur ist es wichtiger, das Gesicht zu wahren, als zu sagen, was ich weiß. So fragte mich jemand, der Christ werden wollte, ob er als Christ die Wahrheit sagen müsse, oder ob er, um das Gesicht zu wahren, auch Unwahrheiten sagen dürfe. Die Auslegung von Jesus war, die Wahrheit zu sagen oder zu schweigen.

Jesus sagt zu Pilatus: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Johannes 18,37). In Bezug auf Gott ist das, was Gott sagt, die Wahrheit und nicht unsere Gedanken über Gott. Jesus offenbart uns den Vater. So sagt er nach dem Gespräch mit Thomas anschließend zu Philippus: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Johannes 14,9).

Wenn wir nicht mit dem biblischen Gott in Beziehung treten wollen, können wir uns unsere eigene Welt aufbauen. Aber sie führt uns nicht zu ihm, sondern von ihm weg.

Wenn wir keine universellen Wahrheiten mehr akzeptieren, landen wir im Chaos. Jesus will uns helfen zu erkennen, dass die Gebote in der Bibel nicht gegen uns, sondern für uns sind. Denn sie fördern das Vertrauen in Gott und in die Mitmenschen. Jesus steht für eine Wahrheit, auf die man sich verlassen kann.

Die nächste Säule ist das Leben. Jesus sagt damit: Ich bin das wahre Leben. Keine Imitation, keine Standardisierung. Jesus will, dass wir Originale und keine Kopien sind. Jeder von uns ist einzigartig und soll den anderen ergänzen. Das ist das göttliche Prinzip.

Wichtig ist aber auch, dass sich das Leben mit göttlichen Leitlinien voll entfalten kann.

Es ist schön zu sehen, wie jetzt alles wächst. Hier ist eine Rebe, die soeben aus allen Poren sprießt. Ich habe sie in eine Vase gestellt. Jetzt könnte sie sich hier an der Wärme voll entfalten. Aber genau das geht nicht. Jede Schnittblume verwelkt. Wenn man sich von der ursprünglichen Quelle abschneidet, ist man zwar frei, aber man verliert auch den eigentlichen Zweck, fruchtbar zu sein.

Jeremia sagt in Kapitel 2,13: „Mich, die Quelle lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen auszuhauen, rissige Zisternen, die das Wasser nicht halten“.

Deshalb sagt Jesus in Johannes 15,5: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.“

Nun folgen die herausfordernden Worte: Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“.

Fassen wir zusammen, was wir bisher gesehen haben: Jesus sagt: Ich bin die richtige Auslegung. Die Wahrheit wird von Gott definiert. Und in der Verbindung mit ihm entsteht wahres Leben.

Aber was bedeutet nun das niemand? Sind alle Menschen, die vor Jesus gelebt haben, ausgeschlossen?

Jesus spricht davon, dass die Menschen nach dem beurteilt werden, was sie verstanden und umgesetzt haben (Matthäus 25,40 / 2.Korinther 5,10). Ein solches Urteil kann nur Gott fällen, weil er jeden von uns durch und durch kennt. Wir können niemanden beurteilen, sondern nur festhalten, dass jedes Leben gerecht von Gott beurteilt wird.

Das zweite, was immer wieder aufgezeigt wird, ist, dass es der Glaube ist, der Menschen vor Gott gerecht macht (Apostelgeschichte 15,9). Es ist die Einsicht, dass wir aus uns selbst heraus vor Gott nicht bestehen können, dass Gott uns aber annimmt, wenn wir darauf vertrauen, dass er unseren Mangel ausgleicht.

Vor Jesus drückten die Menschen dies durch ein Opfer aus. Nach seiner Zeit auf der Erde, indem sie das Versöhnungsangebot durch den Kreuzestod von Jesus für sich in Anspruch nehmen. Der Opferdienst und seine Gebote wurden in Jesus erfüllt.

Menschen, die von all dem nichts gehört haben, erkennen, dass allein Gottes Erbarmen zählt. Sie werden, wenn immer sie von Jesus hören, bekennen, dass es genau das ist, was sie in ihrem Inneren wussten.

Jesus sagt in Johannes 8,42: „Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich lieben, denn ich bin von Gott ausgegangen und gekommen“.

Aber die meisten Menschen wehren sich mit allen Kräften dagegen, dass sie göttliche Hilfe brauchen. Die Abhängigkeit von Gott, das eigene Wahrheitsempfinden und die eigenen Interpretationen des Lebens stehen ihnen im Weg.

Offenbarung 20 zeigt uns auf, dass auch wenn die Menschen im perfekten Umfeld und unter dem vollen Segen Gottes leben, sie sich dennoch gegen Gott aufstacheln lassen. Der Mensch will nicht in der Abhängigkeit von Gott leben. Er will selbst entscheiden, was gut für ihn ist.

Bei der Kreuzigung von Jesus lehnte ihn ein Verbrecher ab, der andere jedoch erkannte, dass Jesus Recht hatte. Das wurde ihm als Gerechtigkeit vor Gott anerkannt.

Wie wir Jesus beurteilen, bestimmt unser Schicksal. Ist er für uns der Weg, die Wahrheit und das Leben?

Viele versuchen ihre eigenen Wahrheiten zu entfalten. Es ist wie mit einer Leiter. Wir können Sprosse für Sprosse hinaufklettern und uns darauf etwas einbilden.

Aber es gibt noch eine andere Art von Leiter. Die Strickleiter. Der Unterschied ist, dass sie von oben kommt. Wenn man sich an ihr festhält und Tritt für Tritt hochklettert, ist man dabei, wenn die Leiter hochgezogen wird. Wer im Himmel verankert ist, braucht sich nicht verunsichern zu lassen.

Die gute Nachricht ist: Es gibt einen Weg zurück in die Gemeinschaft mit dem Vater im Himmel.

Interessant ist, dass Jesus nicht sagt: „Ich zeige euch den richtigen Weg! Er sagt auch nicht: „Ich kenne den richtigen Weg!“ Das haben schon viele Religionsstifter gesagt. Jesus jedoch sagt: „Ich bin der Weg“.

Jesus ist nicht ein Weg, sondern nur durch ihn haben wir Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater. Als Wahrheit ist Jesus die ultimative Selbstoffenbarung Gottes. Durch ihn haben wir jetzt schon ein ewiges und erfülltes Leben.

Wir können mit Menschen aus vielen Religionen über Gott reden, aber Gott will durch Jesus zu uns reden. Welchen Weg wollen wir nun in unserer multioptionalen Gesellschaft einschlagen?

Skulptur: Peter Kuhn, Wermatswil

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert