Endzeit-Erwartungen

Als Jesus das letzte Mal mit seinen Jüngern zusammen war, fragten diese: „Herr, stellst du in dieser Zeit für Israel das Reich wieder her?“ (Apostelgeschichte 1,6). Die Jünger erwarteten, dass Jesus die Königsherrschaft unmittelbar in Israel aufrichten würde.

Die Antwort Jesu lautete: „Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat. 8 Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch gekommen ist; und ihr werdet meine Zeugen (Märtyrer) sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis an das Ende der Erde (Apostelgeschichte 1,7-8). Jesus verspricht seinen Jüngern nur seine Gegenwart durch den Heiligen Geist in allen Schwierigkeiten. Ein irdisches Reich wird aber auch nicht abgelehnt.

Als Jesus dann vor ihren Augen in den Himmel aufgenommen wurde, sagten die beiden Engel: „Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird so kommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen in den Himmel“ (Apostelgeschichte 1,11).

Jesus kommt also wieder auf die Erde zurück. In Johannes 14,3 sagt Jesus: „Wenn ich hingehe und euch eine Stätte bereite, so komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit auch ihr seid, wo ich bin.“

Nach diesem Text geht es in erster Linie nicht um einen himmlischen oder irdischen Ort, sondern um die Gemeinschaft mit Jesus: „Damit auch ihr seid, wo ich bin“.

Wenn Jesus sein Reich auf dieser Erde aufrichtet, sind wir hier, wenn er im himmlischen Jerusalem ist, sind wir bei ihm. Im eigentlichen Sinne geht es für Christen nicht darum, was, wann, wo und wie genau etwas geschieht, sondern wie eng unsere Beziehung zu Jesus ist.

Die Bibel ist kein Fahrplan, sondern enthält Gottes Heilsplan. Sie will uns aufzeigen, wie wir uns heute mit Gott versöhnen können. Sie ermutigt uns an keiner Stelle, darüber zu spekulieren, wie viel Zeit wir dafür noch haben.

Was sind die Kernpunkte?

Gott stellt Gerechtigkeit her. Er beurteilt jedes Leben und fordert von uns Rechenschaft. In der Bibel wird oft vom „Tag des Herrn“ gesprochen. So heißt es in 2.Petrus 3,9-10: „Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten, sondern er ist langmütig euch gegenüber, da er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen. 10 Es wird aber der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb“.

So wie es Petrus aufzeigt, ist die Zeit bis zur Wiederkunft von Jesus eine Chance, zu Gott umzukehren. Wo wir Opfer sind, überlassen wir Gott die Wiederherstellung. Wo wir Täter sind, bekennen wir das Unrecht und empfangen dadurch Vergebung. Der eigentliche Punkt ist, dass wir als Christen das Urteil Gottes über unserem Leben nicht verdrängen, sondern vorwegnehmen. Das geschieht, indem wir Vergangenes bei Gott deponieren und unsere Schuld bekennen und so göttlichen Frieden empfangen.

So wie es Jesus in Johannes 5,24 sagt: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod in das Leben übergegangen“.

Und wie wir es im Vaterunser bekennen: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben. Wir sollen also zu unseren Verfehlungen stehen und Gott das Gericht überlassen.

Die Jünger von Jesus erwarteten seine Wiederkunft zeitnah. Jesus lässt es offen. Seit der Verheißung eines Erlösers bei Adam und Eva sind 4000 Jahre bis zur Erfüllung vergangen. Seit Jesus warten wir nun schon bald 2000 Jahre auf seine Wiederkunft.

Im jüdischen Umfeld wird der Messias in der Regel nicht als Erlöser der einzelnen Seele gesehen. Vielmehr wird er als Herrscher verstanden, der Gerechtigkeit in die Gesellschaft bringt und Frieden zwischen den Völkern stiftet. Im jüdischen Umfeld gab es bereits viele Messiasgestalten. Zu den bekanntesten gehören Bar Kochba, Sabbatai Zwi und Rebbe Menachem Mendel Schneerson. Die jüdische Messiaserwartung hat im Laufe der Geschichte viele Enttäuschungen erlebt, ist aber nach wie vor lebendig.

Der Prä-Millennialismus

In den ersten drei Jahrhunderten erwarteten die Christen die baldige Wiederkunft Jesu und die Errichtung eines irdischen Tausendjährigen Reiches. Die Gläubigen sollten entrückt werden und in einem Augenblick einen ewigen geistlichen Leib erhalten. Dann werden sie mit Jesus das Tausendjährige Reich aufrichten. In diesem Reich erfüllt sich die alttestamentliche Verheißung, dass Mensch und Tier wieder friedlich zusammenleben werden (Jesaja 11,6-9). Jesus selbst wird dann von Jerusalem aus über die ganze Welt herrschen. Am Ende dieses Reiches wird der Teufel noch einmal losgelassen, um die ganze Menschheit zu verführen (Offenbarung 20). So kommt es schließlich zum letzten Gericht. Danach werden alle, die Gott die Treue gehalten haben, in sein ewiges Reich eingehen.

Der A-Millennialismus

Ab dem 4. Jahrhundert wurden der christliche Glaube und die Kirche im Römischen Reich offiziell anerkannt. Am 28. Februar 380 n. Chr. erklärte Kaiser Theodosius das Christentum zur Staatsreligion. Eine christliche Staatskirche entstand. Die Kirchenväter sahen nun die Verheißung aus Offenbarung 20 als erfüllt, da der Teufel das „Reich Gottes“ nicht mehr behindern konnte und die Kirche selbst die damalige Welt prägte. Auf dem Konzil von Ephesus (431 n.Chr.) wurde der Glaube an ein zukünftiges Reich als Irrlehre verurteilt (vgl. Katholischer Katechismus, Paragraph 676).

Der Glaube, dass Jesus selbst auf diese Welt kommen und ein christliches Reich errichten würde, war überholt. So entstand der Amillennialismus, der die Existenz eines irdischen, Tausendjährigen Reiches verneinte. Nach dieser Lehre wird Jesus bei seiner Wiederkunft Gericht halten. Die Menschen gehen dann entweder in die ewige Herrlichkeit oder in die Gottesferne ein. Die Entrückung, die Wiederkunft und das Gericht wurden als ein einziges Ereignis verstanden.

Es ist schon erstaunlich, dass die Kirche über 1000 Jahre die ganze damalige Welt geprägt hat. Traurig ist, dass sich die Kirche dabei immer mehr von ihren Wurzeln entfernte und ihr eigenes Verständnis vom Reich Gottes auch mit Gewalt durchsetzte.

Mit der Reformation 1517 wurde die Bibel auch der breiten Masse in ihrer Sprache zugänglich gemacht. In der Folge glaubten einzelne Christen wieder vermehrt an ein Tausendjähriges Reich auf Erden. Sie verstanden sich selbst als das „neue Israel“. Man legte die Bibel wieder wörtlich aus und sah in den Prophezeiungen nicht nur bildhaftes und symbolisches Reden.

In Münster (Deutschland) gab sich um 1534 Jan Beuckelsson als König von Zion aus. Er führte ein sehr unmoralisches Leben und änderte die Zeiten der Feiertage. Unter dem Eindruck dieses Ereignisses hielten die Reformatoren am Amillennialismus fest. Calvin bezeichnete die Anhänger des irdischen Tausendjährigen Reiches sogar als unwissend und niederträchtig.

Im 17. Jahrhundert kam die Lehre des Prämillennialismus wieder verstärkt auf. Sie wurde vor allem von stark bibelorientierten Christen vertreten, u.a. von J. A. Bengel. In dieser Bewegung glaubte man, Ort und Zeit der Wiederkunft Christi zu kennen, was sich später als Irrtum herausstellte.

Der Post-Millennialismus

Unter Daniel Whitby (1638-1726) entstand eine neue Lehre, der Postmillennialismus (oder Postmillenarismus). Whitby vertrat die Ansicht, dass das Tausendjährige Reich durch die Bekehrung aller Menschen entsteht. Er war überzeugt, dass das Friedensreich noch aussteht und durch Mission und Evangelisation herbeigeführt wird. Erst nach dieser Friedenszeit würde Jesus auf die Erde zurückkehren (post = nach).

Dieses Weltbild sorgte dafür, dass die Verkündigung von der Botschaft Jesu wieder aufgenommen wurde. Auch heute noch wird vielerorts von einer weltweiten Erweckung gesprochen, die der Wiederkunft Christi vorausgeht. In Matthäus 24,12-14 heißt es aber auch, dass trotz der weltweiten Verkündigung der Botschaft Jesu die Gottlosigkeit in der Welt zunehmen wird.

Der Dispensationalismus

Im 19. Jahrhundert begründete John Nelson Darby (1800-1882) eine neue Theorie des Tausendjährigen Reiches. In Anlehnung an den Prämillennialismus sah er einen Zeitraum von sieben Jahren zwischen der Entrückung und der Wiederkunft Jesu. Während der Jahre des Gerichts Gottes und des Antichristen werden die gläubigen Christen nicht mehr auf der Erde sein. Darby teilte die gesamte Menschheitsgeschichte in verschiedene Heilszeitalter ein. Seine Lehre wurde daher als Dispensationalismus (engl. dispensation = Heilsordnung) bekannt. Israel spielt in den Heilszeitaltern eine entscheidende Rolle, da hier wie im Prämillennialismus die sichtbare Herrschaft Jesu in Jerusalem erwartet wird.

Diese Lehre hat sich vor allem im europäischen Raum stark verbreitet. Heute gibt es auch Vertreter des Dispensationalismus, die glauben, dass die Entrückung erst in der Mitte der siebenjährigen Trübsalszeit stattfindet.

In jüngster Zeit wird im Internet eine neue Lehre stark vertreten: Der Präterismus. Präter kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „vorbei – vorüber“. Sie glauben, dass sich die Endzeitprophezeiungen mit dem Fall Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. oder dem Untergang Roms im 5. Jahrhundert n. Chr. bereits weitgehend erfüllt haben und das erwartete Reich Gottes mit der Aufhebung des Gesetzes und des Tempeldienstes durch Jesus bereits angebrochen ist. Nach dieser Auffassung gibt es keinen Untergang von Himmel und Erde, weil Jesus mit dem Untergang von Himmel und Erde das Ende des Tempeldienstes gemeint habe. Im Grunde handelt es sich um eine andere Form des Amillennialismus. Der Präterismus widerspricht den Glaubensbekenntnissen aller Kirchen. Alle bekennen, dass Jesus wiederkommen wird, um zu richten, und dass er nicht schon ein zweites Mal gekommen ist. Johannes, der Jünger von Jesus, beschrieb das Reich Gottes und die Wiederkunft von Jesu im Jahr 95 nach Christus als ein zukünftiges Ereignis. Jesus spricht in Matthäus 24,29-31 vom Verfinstern der Sonne und dass alle Stämme auf der Erde den Sohn des Menschen kommen sehen in Herrlichkeit. In Markus 14,62 sagt Jesus: „Ich bin es! Und ihr werdet den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen mit den Wolken des Himmels.“ Er bezieht sich auf Daniel 7,13-14 . Die Wiederkunft hat den Zweck, dass seine uneingeschränkte ewige Herrschaft beginnt. Paulus schreibt in 1.Korinther 11,26: „Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ Noch nie wurde das Abendmahl nicht mehr genommen, weil Jesus schon gekommen sein soll. 

Die Schwierigkeit besteht darin, mit offenen Fragen zu leben, ohne die großen Linien zu verlieren. Die Wiederkunft im Geist geschah ab Pfingsten (Johannes 14,23). Die Wiederkunft in Herrlichkeit mit den Engeln, wie sie in Matthäus 16,27 und Offenbarung 19,11-21 beschrieben wird, steht noch aus.

Was es zu bedenken gibt
Alle vier großen Lehren werden auch heute noch weltweit in unterschiedlicher Form vertreten. Jede Gruppe bringt für ihre Auslegung gute biblische Argumente vor. Über das Verständnis der Offenbarung gehen die Meinungen jedoch auseinander. Für die einen ist die Offenbarung ein chronologisches Buch. Die anderen sehen in der Offenbarung verschiedene Visionen, die teils in Bildern, teils in Symbolen das Gleiche beschreiben. Hier kann man sich in endlosen Diskussionen verlieren.

Gemeinsamkeiten aller Theorien
Die vier großen Theorien haben folgende gemeinsame Sicht:
1) Jesus kommt wieder.
2) Gott hat die Kontrolle über die Welt nicht verloren.
3) Gott wirbt um die Menschen, auch wenn manches Leid auf der Erde geschieht.
4) Diese Erde wird einmal vergehen. Für alle, die Gott lieben, wird es eine neue, vollkommene Welt geben.

Gedankenanstoß
Bei manchen alttestamentlichen Verheißungen würde man nicht automatisch auf ihre Erfüllung schließen, so wie es bei Jesus geschah und er sie selbst verstand. Auch die Jünger Jesu konnten die Erfüllung der Prophezeiungen in seiner Kreuzigung nicht erkennen, bis Jesus sie ihnen selbst erklärte und ihnen die Augen für eine neue Sichtweise öffnete. So müssen auch wir mit den Prophezeiungen vorsichtig umgehen, denn Gott erfüllt sie auf seine Weise.

Die Emmausjünger sagten in Lukas 24,21 zu Jesus: „Wir aber hofften, dass er der sei, der Israel erlösen solle.“ Sie wussten zwar von der Auferstehung, konnten sie aber nicht einordnen. Sie erwarteten nicht eine Erlösung des Einzelnen, sondern ein Friedensreich für Israel. Dann heißt es in Vers 27: „Von Mose und von allen Propheten anfangend, erklärte er (Jesus) ihnen in allen Schriften das, was ihn betraf.“ Prophetie ist nicht dazu da, dass wir Fahrpläne aufstellen, sondern dass wir im aktuellen Geschehen erkennen, wie Gott handelt.

Die Gefahren von Endzeittheorien
Die Gefahr von Endzeittheorien besteht darin, dass man aus einzelnen Bibelstellen ganze Konzepte entwickelt. Man interpretiert die Bibel und das Zeitgeschehen durch die eigene Brille. Bibelstellen und Zeitereignisse, die das eigene Endzeitkonzept stützen, werden zitiert, andere hingegen ignoriert. Es entsteht eine selektive Wahrnehmung oder es werden Verschwörungen vermutet.

Gott will uns durch die Prophetien sagen: Ich habe alles in der Hand. So steht in Sprüche 21,1: „Wie ein Wasserbach ist das Herz des Königs in der Hand des HERRN; er lenkt es, wohin er will“. Und in Offenbarung 17,17: „Denn Gott lenkt ihr Herz so, dass sie seinen Plan ausführen“.

Was wir lernen können
Der Blick in die Geschichte lehrt mich, dass wir nicht selbstsicher behaupten sollten, was geschehen wird. Alle Erkenntnis ist Stückwerk – auch meine eigene.

Jesus sagte: „Von jenem Tag aber und jener Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel in den Himmeln, auch nicht der Sohn, sondern der Vater allein. (Matthäus 24,36). Und in Lukas 12,40 heißt es: „Darum seid auch ihr bereit! Denn der Sohn des Menschen kommt zu einer Stunde, da ihr es nicht meint.“

Wir sollten jederzeit bereit sein, Jesus zu begegnen. Denn meine Stunde kann jederzeit sein.

Wir wissen nicht genau was kommt, aber wer kommt: JESUS.

Christlicher Glaube fokussiert auf die Beziehung zu Jesus. Bei Jesus erhalten wir den göttlichen Frieden durch den Heiligen Geist, der uns die innere Gewissheit gibt, dass wir Kinder von Gott sind.

Das gibt uns eine innere Gelassenheit, weil wir wissen, auf wen wir warten.

Siehe auch:

Jesus überrascht mit einem neuartigen Reich

Gott, Israel und wir Christen

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