Warum spricht Jesus in Gleichnissen?

Das Gleichnis vom Sämann, wie Menschen mit Gottes Wort umgehen (Matthäus 13,1-23)

Radio-Sendung vom Dienstag, 25. Februar, Leben mit der Bibel – auf Schweizerdeutsch – Schriftsprache unten.

Warum spricht Jesus in Gleichnissen? Der Zweck der Gleichnisse Jesu ist, dass der Suchende findet. 

Weshalb spricht Jesus in Gleichnissen? (ergänzte Ausführungen)

Der Zweck der Gleichnisse Jesu ist, dass der Suchende findet. Wir Menschen können uns eine Geschichte oder ein Bild besser merken. Deshalb erzählen wir uns auch Märchen und Fabeln. Sie haben den Zweck, eine Grundwahrheit zu vermitteln.

In der hebräischen Sprache denkt und spricht man in Bildern. So sollen auch die Gleichnisse ein Bild vor unseren inneren Augen entfalten. Wer sucht, der wird in diesen Bildern Antworten finden.

Spannend ist, dass ein Bild gleichzeitig auch verhüllend ist. Nicht alles sieht man klar. Im Alten Testament lesen wir, dass sich Gott verhüllt. Die Gleichnisse Jesu sind wie die Feuer- und Wolkensäule beim Auszug der Kinder Israels aus Ägypten. Den Israeliten erleuchtete sie den Weg, die Ägypter dagegen wurden durch die Wolkensäule verwirrt.

Die Verhüllung Gottes gibt uns die Freiheit, uns auf ihn einzulassen oder ihn abzulehnen. Wenn etwas verborgen ist, können wir darüber diskutieren. 

Jesus hat gesagt, dass er von dieser Erde weggeht. Auch das ist eine Situation, in der wir uns auf ihn einlassen können oder nicht. Wenn er sichtbar wiederkommt, wie es im Glaubensbekenntnis heißt, dann geht es um Scheidung und nicht mehr um eine Entscheidung. In Matthäus 25,32 steht: „Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.“

Diese Verborgenheit ist eigentlich ein Paradox. Sie ist ein Ausdruck der Liebe Gottes, damit wir die Freiheit haben, auf Gottes liebendes Werben einzusteigen oder einen Weg ohne Gott zu gehen.

Die Jünger fragen Jesus: „Warum sprichst du in Gleichnissen?“ Jesus antwortet in Matthäus 13,12: „Denn wer hat, dem wird gegeben und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“

Das erscheint ungerecht. Doch im ganzen Zusammenhang sieht man, dass das Herz seiner Gegner hart geworden ist. Diejenigen, die „nicht haben“, wollen sich gar nicht auf seine Worte einlassen.

Das sehen wir im Gleichnis von den vier unterschiedlichen Böden, das Jesus erzählt.

Matthäus 13,12 kann auch so übertragen werden: „Ihr alle habt das Leben von Gott bekommen. Ich will euch das überfließende Leben von Gott geben. Ich spreche euch an. Wer sich auf mein Angebot vom überfließenden Leben einlässt, der bekommt noch mehr Leben. Ihr alle habt das Leben geschenkt bekommen. Aber wenn ihr euch nicht auf mich einlassen möchtet, dann werdet ihr auch noch das bisschen Leben, dass ihr erhalten habt, verlieren.“ So ergibt die Aussage von Jesus Sinn.

Wir leben ganz aus der Abhängigkeit von Gott heraus. Wenn wir die Verbindung zu ihm abschneiden und unabhängig von ihm leben wollen, schneiden wir unsere eigene Lebensader ab. Wir haben dann zwar noch unser Leben, doch die Zeit dafür läuft aus, weil die von Gott gegebene Lebenskraft zu Ende geht. Darum ist es so wichtig, wie wir auf das Wort Gottes reagieren. Darum geht es in dem Gleichnis, das Jesus in Matthäus 13,1-23 erzählt.

Es braucht eine grundsätzliche Bereitschaft, sich auf Gottes Wort einzulassen. Wenn ich dem Wort Gottes nur mit kritischem Infragestellen begegne, werden meine Fragen nicht beantwortet. Wenn ich aber mit meinen offenen Fragen zum Wort Gottes komme und zu Gott bete: „Gott, ich verstehe hier die Bibel nicht. Aber öffne mir dein Wort,“ dann wird er uns ins Wort hineinführen und ein neues Verständnis geben.

Jesus sagt hier, dass dies die Erfüllung dessen ist, was der Prophet Jesaja voraussagte: „An ihnen erfüllt sich das Prophetenwort Jesajas: Hören sollt ihr, hören und doch nicht verstehen; sehen sollt ihr, sehen und doch nicht einsehen. Denn das Herz dieses Volkes ist hart geworden. Mit ihren Ohren hören sie schwer und ihre Augen verschließen sie, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Ohren nicht hören und mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen und sich bekehren und ich sie heile.“

Sie haben von Gott nicht ein hartes Herz bekommen, sondern ein Herz, das sich öffnen kann. Sie hätten Ohren und könnten hören. Doch wenn wir uns die Ohren zuhalten oder uns Dinge hineinstopfen, weil wir nicht hören wollen, was Gott und die Bibel uns sagen, dann hören wir nichts mehr.

So steht es auch in Matthäus 13,15: „Ihre Augen haben sie geschlossen, damit sie nicht sehen, mit den Ohren nicht hören und mit dem Herzen nicht verstehen.“

Es ist ein aktives Handeln dessen, der sich für das verschließt, was Gott ihm sagen möchte.

Darum ist es wichtig, mit welcher Haltung wir an die Bibel herangehen: Möchte ich noch mehr verstehen und immer mehr lernen, was gemeint ist? Komme ich mit meinen offenen Fragen zu Gott? Beten wir mit der Bibel und leben wir mit der Bibel? Tragen wir seine Worte in unserem Herzen und bewegen sie vor Gott? Wir können aus einem Bibelvers ein Gebet machen: „Gott, zeige mir, was hinter diesem Vers steht. Öffne mir meinen Verstand und schenke mir Antworten auf meine Fragen.“ Gott kann unserem Verständnis helfen, damit wir beim Lesen zwischen verschiedenen Stellen Brücken schlagen können.

Eine solche Brücke schlägt auch Jesus mit dem Gleichnis vom Sämann. Es ist eines der wenigen Gleichnisse, das Jesus uns näher erklärt.

Auch in Matthäus 7,7 geht es um das Reich Gottes: „Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet!“ Wer das Reich Gottes sucht, der findet es; wer anklopft, dem wird aufgetan; wer bittet, dass das Reich Gottes in sein Leben kommt, dem wird es gegeben werden. Gott gibt uns, aber er fordert uns auch auf, dass wir einen Schritt auf ihn zu gehen.

Spannend ist, wie Jesus das im Gleichnis vom Sämann beschreibt. Auf meinen Israelreisen besuche ich stets mit den Reisegruppen das Nazareth Village, in dem gezeigt wird, wie man zur Zeit von Jesus gelebt und gearbeitet hat. Dort gibt es auch eine originale Weinpresse aus der Zeit von Jesus. Das Gelände war ein terrassenförmiger Weinberg. In den Terrassengärten erkennt man sehr gut den Weg, der sich am Hügel entlang schlängelt, die Felsen, die Dornen und das gute Land.

Bilder und Gleichnisse haben den Vorteil, dass man sie in verschiedene Kulturen übertragen kann. Die Jünger kannten solche Grundstücke, auf denen es Wege, Felsen, Dornen und guten Boden gab.

Jesus erzählt uns, dass dort ein Mann den Samen aussäte. Doch er säte nicht nur auf den guten Boden. Er säte auf alles. Die Botschaft von Gott wird großzügig verbreitet. Alle bekommen etwas vom Samen zu hören. Es ist kein Unfall, dass der Same überall hinfällt. Vielmehr kommt hier Gottes Größe zum Ausdruck.

Doch wie wir darauf reagieren werden, wenn wir Gottes Botschaft hören, ist durch unsere Haltung bereits vorgeprägt. Fällt der Same auf harten Boden, wie es der Weg ist? Fällt er auf Felsen, die nur von einer dünnen Erdschicht bedeckt sind? Oder fällt er unter einen Dornenhaufen? Wie wir auf das Wort Gottes reagieren, hat etwas mit unserem Herzen, unseren Augen und unseren Ohren zu tun. Was der Same bei uns bewirkt, hängt davon ab, ob wir uns darauf einlassen wollen.

Jesus sagt, dass es Menschen gibt, die das Wort zwar hören, bei denen es aber nie eine tiefere Ebene erreicht. Es ist bei ihnen wie auf dem Weg, bei dem der Same auf der Oberfläche liegen bleibt. Bei manchen Menschen sät man die gute Nachricht von Gott aus, doch es gibt keine Resonanz. Es geht nicht tiefer und die Vögel picken alles weg.

Was könnte das für uns heute bedeuten? Es gibt viele Menschen, die zwar mit den Ohren hören, ohne dass es danach weitergeht. Vielleicht haben sie sofort Einwände oder verschließen sich. So wird das Gehörte ignoriert und schnell vergessen und sie denken gar nicht darüber nach, was das Gehörte in ihrem Leben bedeuten könnte.

In Matthäus 13,19 sagt Jesus, dass der Böse ein Interesse daran hat, dass es zu keinem tieferen Verstehen kommt. In der Bibel werden wir immer wieder dazu aufgefordert, uns nicht rauben zu lassen, was wir erhalten haben. Ich möchte mich nicht verschließen und hart werden wie ein Weg, sondern mich öffnen und das Wort Gottes aufnehmen wie ein guter Boden. Wir können einander helfen, damit der Boden aufgeht. Aber wir können auch alles in Frage stellen und so einander wegnehmen. Wie gehen wir miteinander um, wenn wir über die Bibel reden? Wollen wir uns gegenseitig ermutigen, etwas tiefer zu verstehen? Oder geht es nur darum, dass wir Recht haben, alles in Frage gestellt wird und der Glaube des anderen nicht tiefer wird?

Der felsige Boden stellt die Menschen dar, die sich für Veranstaltungen und Kurse interessieren und dort schnell begeistern lassen. Gottes Botschaft bewegt und berührt sie. Aber sobald sie Stellung beziehen müssten, geben sie auf. Sie wollen ihren Glauben nicht wachsen lassen. Er schlägt keine tieferen Wurzeln. Sie geben sich mit dem einen Erlebnis zufrieden. Wie Jesus sagt, kann ein solcher Glaube nicht wachsen, weil die Saat keine Wurzeln schlagen kann (Matthäus 13,6). Wurzeln schlagen ist ein bewusster Prozess. Wurzeln gibt es nur, wenn wir tiefer graben und uns auf das Wort einlassen. Das „Wurzeln schlagen“ ist ein Bild davon, dass wir das Wort Gottes aufnehmen und ins uns bewegen sollen, damit unser Glaube tiefer werden kann. Beim Umsetzen des Gelernten wächst der Wunsch, noch mehr verstehen zu wollen.

Die Dornen stellen die Sorgen dieser Welt dar. Es gibt vieles, das uns in Beschlag nehmen und unseren Glauben überwuchern kann.

In der Bibel sehen wir, dass viele Könige in der Bibel gut angefangen, aber schlecht geendet haben. Irgendwann in ihrem Leben ist ihr Einsatz für Gott verloren gegangen. Leider ist das bei uns allen eine Gefahr. Anfangs sind wir Feuer und Flamme und bereit, alles für Jesus zu tun – doch mit der Zeit bedeutet uns der Glaube immer weniger. Dass das so ist, liegt nicht am Samen und nicht an der Pflanze. Nein, man lässt den Glauben von anderem ersticken. Wir leben in einer Gesellschaft, die uns schnell ablenkt. Statt uns aus all dem Trubel herauszunehmen und uns in einen Text zu vertiefen, wollen wir immer erreichbar sein.

Unser Glaube ist jedoch wie eine Pflanze. Er muss begossen werden. Er braucht Nahrung und Pflege, damit er wachsen kann. Er wächst von allein. Aber er muss auch Zeit haben, um heranzureifen. Der Glaube ist nicht von einem Moment auf den anderen ein großer Baum, der schöne Früchte trägt. Das Wachsen ist ein lebenslanger Prozess. Unsere Herausforderung ist, bis ans Ende unseres Lebens dranzubleiben – und das in aller Natürlichkeit und nicht auf unnatürliche Weise. Am Schluss der Bergpredigt fordert Jesus seine Zuhörer auf, dranzubleiben und die Kosten zu berechnen, ob man es durchhalten kann.

Glauben bedeutet, dranzubleiben und sein Vertrauen in Gott tiefer werden zu lassen, so wie es beim guten Boden geschieht. Die Pflanze kann dort so viele Wurzeln schlagen, wie sie will. Bei den Terrassenbauten in Nazareth rinnt das Regenwasser von einer Stufe auf die nächste hinunter. In jeder Stufe baut man einen Speicher ein, damit die tiefen Wurzeln auch während der trockenen Zeit Wasser erreichen können. So muss auch unser Glaube tiefe Wurzeln schlagen. Nur so kann die Pflanze groß und stark werden und Frucht tragen.

Welche sind eigentlich die Früchte des Glaubens? In Galater 5,22-23 schreibt Paulus: Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit (oder Selbstbeherrschung).“

Je länger wir mit Jesus unterwegs sind, desto mehr werden wir in unserem Charakter verändert.

Es muss nicht von einem Moment auf den anderen alles anders sein. Es darf wachsen und sich verändern. Es ist ein Prozess. Wenn wir merken, dass wir noch nicht dort sind, wo wir sein möchten, können wir den Blick auch darauf richten, dass wir nicht mehr dort sind, wo wir einmal waren. Wir befinden uns also auf einem Weg oder in einem Wachstumsprozess.

In diesem Prozess können wir uns fragen: Was baut mich auf und bringt mich weiter? Ich muss nicht alles in Frage stellen. Wir wollen einander aufbauen und uns nicht gegenseitig den Glauben rauben. Zerreißen und zertreten bringt nichts. Wenn ich aber offen bin, öffnen sich neue Welten.

Jesus lehrt hier: Die, welche hören und verstehen wollen, werden verstehen. Aber die, die nicht verstehen wollen, können auch nicht richtig hören. Darum verlieren sie noch, was sie haben, nämlich ihr Leben. Doch die, die offen sind, erhalten ein erfüllendes Leben in Gott. Das eröffnet allen, die sich darauf einlassen, eine neue Sichtweise und einen neuen Zugang zu Gott und den Mitmenschen.

Gleichnisse öffnen denen die Augen, die ehrlich an Jesus interessiert sind. Denen, die ablehnend gesinnt sind, werden sie sich als Ärgernis erweisen. Je nachdem, welche innere Einstellung wir haben, kann uns ein Gleichnis eine Tür öffnen oder uns verwirren. Entscheidend sind meine Offenheit und der Wille, dranzubleiben, die Worte im Herzen zu bewegen und Neues zu entdecken.

Text: Hanspeter Obrist

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