Die Anklage von Paulus in Korinth (Apostelgeschichte 18,1-18) ist diffus: „Dieser verführt die Menschen zu einer Gottesverehrung, die gegen das Gesetz verstößt.“
Welches Gesetz ist gemeint? Die Juden wurden, wie andere Religionen, im Rahmen des „ius gentium“ respektiert, solange sie nicht gegen die öffentliche Ordnung verstießen.
Der neue Prokonsul Gallio urteilt, dass es hier nicht um römisches Recht gehe, sondern um innerjüdische Lehrfragen.
Nach jüdischem Gesetz darf niemand anders angebetet werden, außer Gott allein. Die Verehrung des gekreuzigten Jesus als jüdischer Messias für alle Menschen erregte Anstoß. Das Kennzeichen der Jesusnachfolger ist, dass sie zu Jesus beten (Apostelgeschichte 9,14).
Paulus lädt alle Menschen zu diesem neuen „jüdischen“ Glauben ein. Es besteht nun die Gefahr, dass die Juden ihren guten Ruf verlieren und wie in Rom vertrieben werden könnten.
Mit dem Gelübde setzt Paulus ein Zeichen, dass er sich immer noch als Jude verstand.
Ganzer Text: Unerwarteter Aufstand in Korinth
Paulus kommt nach Korinth (Apostelgeschichte 18,1-18) und alles scheint ziemlich normal zu sein.
Korinth ist eine lateinisch (römisch) sprechende, multikulturelle Vielvölkerstadt. Sie entwickelte sich zu einem der wichtigsten Umschlagplätze zwischen dem östlichen und dem westlichen Mittelmeer. Schiffe wurden in vorgefertigten Fahrrinnen über die Landenge geschleppt oder umgeladen.
Hier trifft Paulus auf Aquila und Priscilla, die Rom verlassen mussten. Kaiser Klaudius (41-54 n. Chr.) vertrieb die Juden aus Rom. Der römische Geschichtsschreiber Sueton notiert: „Da die Juden unter ihrem Anführer Chrestos [=Christus] beständig Unruhe anstifteten, vertrieb er [Claudius] sie aus Rom.“ [Sueton, Leben der Cäsaren, Claudius Par.25] Suetonius/296. Es wird deutlich, dass die Christen in der ersten Zeit als Teil des Judentums wahrgenommen wurden. Sueton schreibt: „…über die Christen, Menschen, die sich einem neuen und gefährlichen Aberglauben ergeben hatten, wurde die Todesstrafe verhängt“ [Nero, Par 16] Suetonius/326.
Paulus besucht die Synagoge. Sein Thema lautet: „Jesus ist der Christus“ (Messias), doch seine Ausfrührungen stoßen auf Widerstand. Paulus trennt sich von ihnen mit dem Gerichtswort aus Hesekiel 33,4: „Euer Blut komme auf euren Kopf“. Er schüttelt seine Kleider aus, denn Jesus sagte, man soll den Staub von den Füßen schütteln (Matthäus 10,14). Neu können sie sich neben der Synagoge treffen. Dass sich auch der Leiter der Synagoge zu Paulus stellt, hat Signalwirkung.
Paulus will weiterziehen, um einen Tumult zu vermeiden. Doch in der bedrohlichen Situation erhält er einen direkten Zuspruch von Gott: „Fürchte dich nicht“. „Ich bin mit dir“. Wem Gott einen Auftrag gibt, dem gibt er auch die nötige Kraft. „Rede nur, schweige nicht!“ Paulus bleibt noch eineinhalb Jahre in Korinth. Korinth gehört zu den wenigen Gemeinden, in denen sich Paulus so lange aufhält.
Als Gallio neuer Prokonsul wird, kommt es aus heiterem Himmel zu einem Aufstand. Kein ersichtlicher Grund wird uns geschildert. Alles ist ruhig, und nichts Anstößiges ist geschehen. Dennoch ist die jüdische Gemeinschaft beunruhigt.
Die Juden sind eine anerkannte Religion und genießen einen gewissen Schutz und Respekt. Herodes der Große (73 – 4 v.Chr.) hatte eine gute Verbindung zum Kaiserhaus. So ließ Kaiser Augustus auf eigene Kosten zweimal täglich im Tempel von Jerusalem ein Fürbitteopfer für den römischen Kaiser darbringen. Die Römer respektierten den Glauben der eroberten Volksgruppen solange sie nicht mit dem römischen Gesetz in Konflikt gerieten oder ihre Loyalität zu Rom aufgaben.
Die jüdische Gemeinschaft hatte damals weltweite Beziehungen, da in allen größeren Städten Juden lebten. Die gegenseitige Solidarität und Gastfreundschaft ermöglichten gute Handelsbeziehungen. Durch die strengen jüdischen Gebote blieben sie unter sich.
Nun kommt Paulus und lädt alle Menschen zu diesem neuen „jüdischen“ Glauben ein. Im 1. Korintherbrief 6,9-11 schreibt Paulus, dass einige Gemeindeglieder früher Unzüchtige, Ehebrecher, Diebe, Habgierige, Trunkenbolde, Lästerer und Räuber waren. Es besteht nun die Gefahr, dass die Juden ihren guten Ruf verlieren und wie in Rom vertrieben werden könnten.
Die Anklage in Korinth ist diffus: „Dieser verführt die Menschen zu einer Gottesverehrung, die gegen das Gesetz verstößt.“ Welches Gesetz ist gemeint? Nach dem römischen Recht wurde jeder nach dem Recht seiner Gemeinschaft beurteilt. Die Juden wurden, wie andere Religionen, im Rahmen des ius gentium respektiert, solange sie nicht gegen die öffentliche Ordnung verstießen. Die Römer verlangten aber immer wieder die Verehrung der Kaiser und Götter, was zu Konflikten führte.
Gallio urteilt, dass es hier nicht um römisches Recht gehe, sondern um innerjüdische Lehrfragen (Apostelgeschichte 18,14-15). Durch dieses Urteil sind Paulus und die Gemeinde in Sicherheit. Sie werden vom Staat geschützt.
Nach jüdischem Gesetz darf niemand anders angebetet werden, außer Gott allein. Die Verehrung des gekreuzigten Jesus als jüdischer Messias für alle Menschen erregte Anstoß. Das Kennzeichen der Jesusnachfolger ist, dass sie zu Jesus beten (Apostelgeschichte 9,14).
In Paulus erwacht plötzlich die Sehnsucht nach Jerusalem. Das Gelübde, das er ablegt, könnte ein Nasiräergelübde sein, das eine Pilgerfahrt nach Jerusalem beinhaltet (4.Mose 6,1-21). Daher der Drang, sich nicht mehr aufhalten zu lassen. Mit dem Gelübde setzt Paulus ein Zeichen, dass er sich immer noch als Jude verstand.
Spannend ist Gottes Versprechen (Apostelgeschichte 18,10), dass Paulus in Korinth nichts geschehen würde. Gott hat Wort gehalten, wenn auch unerwartet durch einen römischen Prokonsul.
Nun braucht Paulus eine Auszeit. Er besucht deshalb ein jüdisches Pilgerfest in Jerusalem. Auch in unserem Leben helfen uns Zeiten der Einkehr und der Inspiration.
Es gibt einen Unterschied zwischen göttlichen und weltlichen Geboten.
Die weltlichen Gebote sind für alle verpflichtend, egal welche Lebenseinstellung wir haben.
Die göttlichen Gebote sind freiwillig. Wie wir uns ihnen gegenüber verhalten, hat etwas mit dem persönlichen Segen Gottes zu tun. Gottes Art ist es, in Liebe zu werben und uns nicht zu etwas zu zwingen.
Hanspeter Obrist, April 2025
Impuls aus dem offenen Bibel-Treff Ebnat-Kappel
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