WM in Katar

19.12.22 Ausgerechnet im Moment der Euphorie, als Lionel Messi den WM-Pokal stemmt, entblösst sich die Fifa selbst. Da wird der Held des Turniers in eine katarische Robe gesteckt. Damit auch ja niemand vergisst, worum es bei dieser WM wirklich ging. Es ging nicht um Fussball, sondern die Inszenierung Katars.

Das traditionelle Kleidungsstück war Messi überraschend von Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani angezogen. Auch FIFA-Präsident Gianni Infantino half bei der Aktion, von der Messi wenig begeistert schien. Der englische Ex-Profi Gary Lineker meint beim Sender BBC: «In gewisser Weise ist es beschämend, dass sie Messi in seinem argentinischen Trikot verdeckt haben.» Der langjährige argentinische Nationalspieler Pablo Zabaleta kommentierte in der BBC: «Warum? Einfach nur warum? Es gab keinen Grund, das zu machen.» Auch weitere TV-Experten konnten nicht nachvollziehen, warum man Messi im größten Moment seiner Karriere nicht einfach in seinem Trikot feiern lassen konnte. «Ihn da zu instrumentalisieren – autsch!», sagte Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme bei MagentaTV. Michael Ballack fügte hinzu: «Es ist ein bisschen irritierend. Aber es spricht für seinen Anstand, dass er das an behält.»

Kein Handschlag für Schiedsrichterin Neuza Back von Katar-Premierminister. Die Brasilianerin Referee Neuza Back erhielt für ihren Einsatz als vierte Offizielle eine Medaille und durfte anschließend die Hände von FIFA-Boss Gianni Infantino und Co. schütteln – nur nicht von Katars Premierminister Chalid bin Chalifa bin Abd al-Aziz Al Thani. In Katar ist es üblich, dass Männer Frauen nicht die Hand geben, wenn sie nicht zur Familie gehören oder es sich um die Ehefrau handelt. Das Nicht-Händeschütteln von diesem Samstag löst ein Déjà-vu aus. Denn vor gut einem Jahr hatte es einen ähnlichen Vorfall gegeben. Ein Statement zum erneuten Handschlag-Verweigern steht noch aus.

Lionel Messi dankte Gott für den Titelgewinn. „Ich wusste, dass Gott ihn mir schenken würde“, sagte Messi kurz nach dem Endspiel am Sonntag dem argentinischen Fernsehsender „Televisión Pública“ mit Blick auf den WM-Pokal. Gott habe ihm damit eine „enorme Freude“ bereitet, so der Kapitän der Auswahl Argentiniens. Messi gilt als gläubiger Katholik und heiratete 2017 seine langjährige Freundin Antonella Roccuzzo kirchlich. Messi selbst fällt seit Jahren auch mit Tattoos eines Rosenkranzes und eines Bildes von Jesus Christus am Oberarm auf.

Im Zuge seiner Wahl zum Weltfußballer im Jahr 2010 äußerte Lionel Messi: „Ich bin eigentlich ein ganz normaler, ruhiger, familiärer Typ. Ich habe keinen Talisman und kein Ritual. Das brauche ich alles nicht. Ich bin sehr gläubig, das reicht.

Doch auch der argentinische Fußball-Verband gilt als sehr glaubensfreundlich. So wird die Mannschaft von einem katholische Geistlichen begleitet, der im Trainingszentrum in einer Kapelle des heiligen Franz von Assisi seit 1997 seelsorgerischen Beistand leistet. Gestern beim Endspiel ist im Fernsehen noch ein anderer Fussballer mit einem religiösen Zeichen aufgefallen: Gonzalo Montiel schoss den entscheidenden Elfmetter und zeigte sich dann mit einem riesengroßen Marien-Tattoo. Der argentinische Verteidiger gilt ebenfalls als sehr gläubig und bedankt sich regelmäßig bei Gott für seinen Erfolg. Seine gesamte Familie gilt als sehr katholisch.

29.11.22 In einem Video in den Sozialnetzen entfernen Sicherheitskräfte eine Frau aus dem Stadion, weil sie ein T-Shirt mit dem Slogan des iranischen Protests trägt („Frau, Leben, Freiheit“). Das geschah während des Spiels zwischen dem Iran und Wales. Den Familien der iranischen Fußball-WM-Mannschaft wurden Gefängnis und Folter angedroht, sollten sich die Spieler vor dem Spiel gegen die USA am Dienstag nicht „benehmen“.

Am Sonntag forderten die staatlichen Medien des Iran den Ausschluss der USA aus der Weltmeisterschaft 2022, nachdem der Fußballverband der Vereinigten Staaten die iranische Flagge auf seinen Social-Media-Plattformen geändert hatte, um seine Unterstützung für die Demonstranten im Iran zu zeigen. Der Verband hatte die iranische Nationalflagge auf seinen offiziellen Twitter-, Instagram- und Facebook-Konten vorübergehend ohne das Emblem der Islamischen Republik gezeigt. more Information 

Ein Reporter wollte wissen, ob es wahr sei, dass der iranische Geheimdienst Katar um die Stornierung der Tickets gebeten habe. Der General antwortete: «Sie sagten uns: Geben Sie uns die Namen, und wir werden das Problem lösen.» Das stammt aus geleakte Aussagen eines Generals der iranischen Revolutionswächter. Dieser soll sich am 15. November – also kurz vor der WM 2022 –mit regimetreuen Medien getroffen haben.

28.11.22 Die WM führt den Chinesen ihre Misere vor Augen

Angesichts voller Stadien und jubelnder, maskenloser Fans stellen nicht wenige von ihnen plötzlich die Pandemiemaßnahmen ihrer eigenen Regierung infrage. „Ich kann es nicht fassen: So viele Menschen auf einem Haufen ohne Maske?“, schreibt ein User auf der Smartphone-App Wechat.

Tatsächlich ist das Schauen der Weltmeisterschaft eine geradezu surreale Erfahrung: Während Millionen Chinesen im Lockdown sitzen und vorsorglich Nahrungsvorräte angelegt haben, feiern in Katar Zehntausende Fußballbegeisterte ausgelassen im Stadion. „Meine größte Erkenntnis aus der WM: Niemand trägt eine Maske, und niemand hat Angst vor der Pandemie!“, postet ein weiterer Nutzer.

29.11.22 Das China-Staatsfernsehen zeigt nun bei den Übertragungen von der WM 2022 keine Fans ohne Maske. Die Zensur könnte eine Reaktion auf die jüngsten Proteste sein. Wie AFP-Reporter berichten, werden nun bei der Übertragung der Spiele an der WM 2022 Nahaufnahmen von Stadionbesuchern ohne Maske herausgeschnitten.

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24.11.22 Die englische Fußball-Nationalmannschaft darf auch an der WM 2022 auf den unerschütterlichen Support ihrer Fans zählen. Eine Gruppe verkleidet sich etwa als Kreuzritter und Anhänger von St. George. Die Templer-Roben sind ein in Großbritannien beliebtes Sujet für Auswärtsspiele. Doch im islamischen Land kommt das nicht nur gut an. Ein Video aus den sozialen Medien soll sogar zeigen, wie zwei Briten in Kettenhemden von den Sicherheitskräften angehalten werden. Dann werden sie von einem Beamten weggeführt. Die Aufnahmen sind vor dem Stadion in Doha entstanden. Ob sie festgenommen wurden, ist nicht bekannt. Die Möchtegern-Ritter können die Aufregung um ihre Kostüm-Wahl nicht nachvollziehen. Einer meinte: «Wir sind das, was das Spiel ausmacht. Es sind nicht die Unternehmen, die im Hintergrund zahlen, es sind wir, wir sind der Fußball.»

23.11.22 Beim Eröffnungsspiel der Gruppe B zwischen Wales und den USA wurden den Fans jegliche Artikel mit Regenbogen weggenommen. Auf einem Video ist beispielsweise zu sehen, wie eine Frau von Security-Ordnern gebeten wird, ihren Regenbogen-Hut abzugeben. Und das, obwohl noch letzte Woche von der Fifa zugesichert wurde, dass alle willkommen seien. Auf die Frage, ob auch Regenbogenfahnen in den Stadien zugelassen seien, meinte die Leiterin der Fifa-Abteilung für Marketing, Gerdine Lindhout: «Nur zu, bei dieser Veranstaltung geht es nur ums Feiern!» (Im Juni hat es geheißen, Flaggen seien verboten).

Die Zuschauer des WM-Eröffnungsspiels erhielten Tüten mit Parfüm und „Sewak“ (oder „Miswak“, einem Zahnreinigungszweig, der nach islamischer Tradition vom Propheten Mohammed empfohlen wurde).

Ecuador siegt in diesem Spiel souverän und verdient mit 2:0 gegen Katar. Sie danken auf dem Spielfeld Gott. Kein Christ in Katar kann öffentlich ein christliches Symbol ausstellen oder mit dem Glauben verbundene Praktiken in der Öffentlichkeit durchführen.

Anlässlich des Beginns der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar werden Führungen durch die Moscheen des Emirats organisiert und der berüchtigte radikal-islamische Prediger Zakir Naik, der in Indien der Geldwäsche und Hassreden beschuldigt wird, wurde ins Land eingeladen, um den Islam zu predigen. In einem Video konvertiert ein westlicher Fußballfan während der Fußballweltmeisterschaft in Katar zum Islam.

Die Vergabe der WM sei für sein Land „ein Segen“, sagte Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani. – Vielleicht auch für die ganze Welt. Nun nimmt man den Islam ernster. Auch realisieren wir langsam, was wir im freien Westen noch haben – Entscheidungsfreiheit.

08.11.22 Khalid Salman, der offizielle WM-Botschafter, nennt Homosexualität einen «geistigen Schaden». Jeder werde akzeptieren, dass Schwule nach Katar kämen, so der Ex-Fussballer. «Aber sie werden unsere Regeln akzeptieren müssen.» Seine Abneigung gegenüber Homosexuellen begründet er mit den Kindern: Wenn sie Homosexualität sähen, würden sie etwas lernen, was nicht gut sei. Schwulsein sei «haram» – verboten.

Wegen einer Vielzahl von Gründen steht die WM 2022 in Katar, die in wenigen Wochen beginnt, in der Kritik. Da wäre das Klima, weswegen das Turnier im Winter stattfindet, die Arbeitsbedingungen, die an Sklaverei erinnern, oder die allgemeine Menschenrechtslage. Ein weiteres Thema sind die Rechte für die LGBTQ-Community. Denn im Wüstenstaat ist Homosexualität verboten und kann mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft werden.

Das Emirat Katar reagiert verärgert auf Kritik der Bundesregierung. Der Unmut geht auf Äußerungen von Bundeninnenministerin Faeser in Bezug auf die LGBTQ-Community zurück. Faeser hatte Sicherheitsgarantien gefordert. „Bei allem Respekt, diese waren überhaupt nicht notwendig“, sagte der Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani über Faesers Aussagen. „Wir haben immer wieder von höchster Stelle wiederholt, dass jeder willkommen ist und niemand diskriminiert wird.

Die Kritik aus Europa an der Lage in Katar bezeichnete er als „sehr arrogant und sehr rassistisch“. Dennoch sei die Vergabe der WM für sein Land „ein Segen“, sagte Al Thani. „Wir sind sehr stolz darauf, und wir sind sehr zuversichtlich, dass diese Weltmeisterschaft eine der besten sein wird, die Sie je gesehen haben.“

Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter bereut rückblickend den WM-Austragungsorts: «Die Wahl von Katar war ein Irrtum.» Das Land sei zu klein. Bei den Entscheiden stehen oft politische und wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Deshalb wurde nach 2011 entschieden, dass nicht das kleinere, aus 24 Personen bestehende Exekutivkomitee, sondern der Kongress sämtlicher 211 Fussballverbände über die WM-Vergabe entscheidet. Blatter sagt: „Ich habe die Abstimmung gegen Katar schlicht verloren. Es kursieren aber auch falsche und polemische Schuldzuweisungen. Die 6500 Toten, die immer erwähnt werden, haben ihr Leben nicht nur beim Bau der Stadien verloren. Katar ist ja quasi aus dem Nichts entstanden. Die Hauptstadt besteht aus gigantischen Wolkenkratzern und breiten Strassen. Auch für diese Bauten mussten Menschen ihr Leben lassen.“ Die Stadien, wurden aus dem Boden gestampft und sollen danach wieder abgebaut werden.

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22.5.22 Fußballfans, die während der bevorstehenden WM-Spiele 2022 in Katar die Regenbogen-Flagge zeigen, könnten laut einer Entscheidung der katarischen Behörden zu 7 bis 10 Jahren Haft verurteilt werden. Der Direktor der Anti-Terror-Behörde in Katar stellte klar: „Wir begrüßen die LGBT-Gemeinschaft in unserem Land, verbieten jedoch das Hissen der Flagge zum Wohle der Gemeinschaft, da wir ihnen sonst keinen Schutz bieten können.

Drei von 69 angefragten Hotels in Katar haben es einer TV-Recherche zufolge abgelehnt, homosexuelle Gäste aufzunehmen. Weitere wollen dies nur bei angepasstem Verhalten tun. Sexuelle Handlungen unter zwei oder mehreren Menschen gleichen Geschlechts können gemäss Strafgesetzbuch mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafen geahndet werden.

Laut katarischem Recht dürfen sexuelle Handlungen nur zwischen Männern und Frauen, die verheiratet sind, stattfinden. Ansonsten drohen gar siebenjährige Haftstrafen.

Alkoholverbot im Stadion

Die FIFA teilte mit, dass Bier mit Alkohol auf dem jeweiligen Stadiongelände ausgeschenkt werden soll – allerdings nur vor und nach dem Spiel und nicht direkt in den Stadien. Während der Spiele soll nur der Konsum von alkoholfreiem Bier sowie Softdrinks und Wasser möglich sein.

Ein gänzliches Verbot von Alkohol gibt es in Katar anders als im benachbarten Saudi-Arabien nicht, er wird aber nur sehr eingeschränkt etwa in Bars oder Restaurants bestimmter Hotels ausgeschenkt. Trunkenheit und der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit sind verboten, ebenso wie die Einfuhr von Alkohol nach Katar.

Dass es an internationalen Fussballspielen keinen Alkohol gibt, ist nicht neu. An Spielen der Uefa – beispielsweise bei der Champions League – gibt es keinen Alkohol im Stadion. Und auch an der letzten WM in Russland 2018 gab es im Stadion kein Bier. In Russland besteht bereits seit einigen Jahren ein Ausschankverbot in Sportstätten.

Das Staatsoberhaupt Katars, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, hatte am 20. Mai bei seinem Staatsbesuch in Deutschland klargemacht, dass alle Menschen willkommen seien. «Wir werden niemanden hindern, uns zu besuchen, unabhängig von den eigenen Ansichten.» Der Scheich sagte aber auch: «Wir erwarten, dass unsere Kultur respektiert wird.» Heisst: Wer die Gesetze missachtet, muss nun mal mit Konsequenzen rechnen. Oder in anderen Worten: Es wird für Fussballfans keine Ausnahmen geben.

Aus westlicher Sicht ist Katar sicherlich nicht der optimale Gastgeber für eine Weltmeisterschaft.

Das Thema Transgender wird im Sport immer wichtiger. Zuletzt hatte der Schwimm-Weltverband Fina seine Regeln für die Teilnahme von Transmenschen an Wettbewerben verändert, von denen besonders die Frauenwettbewerbe betroffen sind. So dürfen Transfrauen nicht bei den Frauen starten, es sei denn, die Geschlechtsangleichung ist mit dem 12. Lebensjahr abgeschlossen, was so gut wie nie der Fall ist. Nun arbeitet auch der Fußball-Weltverband Fifa an neuen Richtlinien zum Umgang mit Transmenschen. „Die Fifa überarbeitet derzeit ihr Reglement zur Geschlechtergerechtigkeit in Absprache mit Experten“, teilte ein Fifa-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag mit.

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