Wahlen in Palästina

Ein palästinensischer Wahlkandidat fordert die Europäische Union auf, die Autonomiebehörde nicht mehr finanziell zu unterstützen. Er reagiert damit auf die Verschiebung der Wahlen. Dann wird auf sein Haus geschossen. Am Donnerstag verschob Abbas die Parlamentswahlen ebenso wie die Präsidentschaftswahl. Daraufhin veröffentlichte die Liste am Freitagabend einen Appell an europäische Gerichte, vor allem den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Diese sollten die finanzielle Unterstützung für die PA unverzüglich einstellen und die „Vergeudung europäischer Steuergelder“ untersuchen. Unterzeichnet haben den Aufruf Banat und ein weiterer Kandidat der Liste, Amdschad Schehab. Die Angreifer setzten scharfe Munition und Blendgranaten ein. Banat selbst war zu jenem Zeitpunkt nicht zu Hause. Seine Frau und die drei Kinder blieben unverletzt. Banat machte „Gangster“ aus den Reihen der Fatah, begleitet von PA-Sicherheitskräften, für den Vorfall verantwortlich. Am Sonntag schrieb er auf Facebook, er habe sich an die EU gewandt, „weil die Europäische Union abscheuliche Banden finanziert, die von Mahmud Abbas angeführt werden“. PA-Sicherheitskräfte seien verantwortlich für den „beängstigenden Zustand der Sicherheitsanarchie im Westjordanland“.

Ähnlich äußerte sich die Hamas: „Die offiziell staatlich unterstützten Angriffe auf palästinensische Bürger, weil sie ihre Meinungen äußern, sind eine ernsthafte Entwicklung, die den Weg für einen Zustand des Chaos bahnt. Das sollte vermieden werden“, erklärte die Terrorgruppe am Sonntag. Es sollte garantiert sein, die Verschiebung der palästinensischen Wahlen öffentlich kritisieren zu können. „Wir glauben, dass eine Unterdrückung und Einschüchterung politischer Aktivisten die Lage der Freiheit in Palästina verschlechtern wird.“

Die EU-Gesandtschaft bei den Palästinensern äußerte sich besorgt über den Angriff: „Gewalt gegen Politiker und Menschenrechtsverteidiger ist nicht akzeptabel. Die PA muss Respekt vor Redefreiheit und Schutz von Menschenrechtsaktivisten garantieren.“

Am 22. Mai sollte in Palästina nach über 15 Jahren wieder eine Wahl stattfinden. Doch die Abstimmung wird verschoben.

Der offizielle Grund: Israel hat nach palästinensischen Angaben nicht auf die Forderung der Autonomiebehörde reagiert. Diese lautet, die Abstimmung neben den Palästinensergebieten auch im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems zu ermöglichen.

Die Abstimmung könne erst dann stattfinden, wenn sichergestellt sei, dass auch die Wähler im von Israel annektierten Ost-Jerusalem «ihre demokratischen Rechte ausüben dürfen», sagte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in der Nacht zu Freitag 30.4.21 nach Beratungen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).

Die im Gazastreifen herrschende Hamas stimme einer Verschiebung oder Absage der am 22. Mai angesetzten Wahl nicht zu, hiess es in einer am Mittwochabend veröffentlichten Stellungnahme der Organisation. Zudem sei es inakzeptabel, die Wahl ohne eine Abstimmung in Ost-Jerusalem abzuhalten. Rechtlich betrachtet ist eine Erlaubnis Israels zur Stimmabgabe im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems nicht nötig. Die Friedensverträge zwischen Israel und Palästinensern sehen vor, dass palästinensische Bewohner Jerusalems in Postfilialen abstimmen können. 2006 hatte Israel die Abstimmung in Ost-Jerusalem ermöglicht.

Beobachter sehen die Jerusalemfrage aber auch als möglichen Vorwand für eine Absage. Denn ein Sieg der stark gespaltenen Fatah von Abbas gilt als unsicher. In Umfragen zeigten sich zuletzt zwei Drittel der Befragten unzufrieden mit dem Präsidenten.

Der Aussenbeauftragte Josep Borrell erklärte am Freitag, die EU habe beständig ihre Unterstützung für glaubwürdige, inklusive und transparente Wahlen für alle Palästinenser ausgedrückt. Er forderte, dass umgehend ein neuer Wahltermin festgelegt wird.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas unterzeichnete am Freitag 15.1.21 ein Dekret zur Festlegung der Parlamentswahlen für den 22. Mai 21 und eine Präsidentschaftswahl am 31. Juli 21. „Am 31. August finden Wahlen zum Nationalrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation statt, der die palästinensische Sache international vertritt“, berichtet The Associated Press. Dies wäre die erste palästinensische Wahl seit 15 Jahren.

2006 hatte die Hamas bei Parlamentswahlen in beiden Palästinensergebieten 74 von 132 Sitzen gewonnen. Abbas ist jedoch seit Wahlen im Januar 2005 Präsident der Palästinensischen Autonomie-Behörde (PA). Seine Amtszeit lief 2009 aus. Aber er hat diese in Berufung auf das Grundgesetz der PA verlängert.

In dem 2014 getroffenen Versöhnungsabkommen zwischen Fatah und Hamas waren Neuwahlen für den Oktober 2014 vorgesehen. Doch die PA hat diese auf unbestimmte Zeit verschoben. Damit fehlt der Präsidentschaft von Abbas eine demokratische Legitimation.

Am Tag nach der Ankündigung von Neuwahlen, teilten „zwei hochrangige palästinensische Beamte“ der Jerusalem Post mit, dass Dahlan – ein ehemaliger Fatah-Militärkommandeur, der für Gaza verantwortlich ist – weder für den Präsidenten noch für ein Amt kandidieren dürfe. Seit 2006 lebt Dahlan im Exil in den Vereinigten Arabischen Emiraten und ist Berichten zufolge unter dem Einfluss seiner Gastgeber in den VAE, die gerade das Abraham-Abkommen mit Israel unterzeichnet haben, gemäßigter geworden.

Drei von vier Palästinensern fordern Neuwahlen. Zwei zu drei wollen, dass Abbas zurücktritt. 38% sagen, dass sie für die Fatah stimmen werden, 34% für die Hamas, 10% für alle anderen Dritten zusammen, während 19% unentschlossen sind. Bei einem direkten Showdown zwischen Abbas und Ismail Haniyyeh, dem Chef der Hamas, würden erstere 43% der Stimmen und letztere 50% erhalten – was die potenzielle politische Stärke der Hamas zeigt.

Khalil Sayegh, ein Mitarbeiter des Philos-Projekts, der im Beirat von ALL ARAB NEWS und als unser leitender Korrespondent tätig ist, glaubt ebenfalls, dass die Wahlen stattfinden werden und sich wahrscheinlich an Biden richten werden. „Sowohl die Hamas als auch die Fatah brauchen die Wahlen, um ihre Legitimität wiederzugewinnen und die 15-jährige Spaltung zwischen Gaza und der Westbank zu beenden“, sagte Sayegh. „Aus praktischer Sicht ist es für die Fatah jedoch nicht ratsam, zu diesem Zeitpunkt Wahlen abzuhalten, wenn sie zwischen Dahlan-Anhängern und Abbas-Anhängern aufgeteilt sind.“

„Es gibt eine höhere Gewinnchance für die Hamas, was mich beunruhigt“, sagte Sayegh. Selbst wenn die Hamas das Westjordanland gewinnen würde, würde Israel nicht zulassen, dass sie es in einen neuen Gazastreifen verwandeln.

Ghaith al-Omari meint: Die Hamas hat keine Anzeichen dafür gezeigt, dass sie bereit ist, die Kontrolle über Gaza unabhängig von den Ergebnissen einer Abstimmung aufzugeben. Für die PA würden Wahlen die Beziehungen zur neuen Biden-Regierung erschweren und Spannungen mit ihren arabischen Verbündeten erzeugen. Derzeit ist al-Omari Fellow am Washington Institute for Near East Policy und war zuvor Exekutivdirektor der American Task Force on Palestine. Nach seiner Ansicht nach zielen sowohl die Schritte der Hamas als auch der Abbas eher darauf ab, Schuldzuweisungen zu geben, wenn die Dinge scheitern, als tatsächlich mit Wahlen fortzufahren.  mehr Informationen

 

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