Ver(w)irrung im Krieg gegen den Terror

Das Ziel des Einsatzes der Bundeswehr in Syrien ist eindeutig definiert. Es lautet: Krieg gegen den Terror. Zugleich stellt die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz fest: „Dass Krieg im völkerrechtlichen Sinne natürlich eine Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten ist„. Die Bundesregierung aber hält den Islamischen Staat (IS) gerade nicht für einen Staat.

Frankreichs Präsident Francois Hollande hat seine Worte sehr bedacht gewählt. Denn sowohl das Völker- als auch das Europarecht setzen für die militärischen Maßnahmen, mit denen Frankreich auf die Anschläge reagiert hat, einen bewaffneten Angriff von außen auf das Hoheitsgebiet eines Staates voraus. Aus einem solchen kriegerischen Akt folgt das naturgegebene Recht zur Selbstverteidigung, so steht es in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Und gemäß Artikel 42 Absatz 7 der EU-Verträge schulden die Mitgliedstaaten einem angegriffenen Land „alle in ihrer Macht stehende Unterstützung“.

Genau diese Unterstützung hat Hollande eingefordert. Wenn der IS kein „anderer Staat“, sondern eine Terrorbande ist – ja dann hätte Frankreich sich nicht auf Artikel 42, sondern auf Artikel 222 des EU-Vertrags berufen müssen. Der sieht nämlich für den Fall eines terroristischen Anschlags in einem Mitgliedstaat die Mobilisierung aller zur Verfügung stehenden Mittel vor, um diesem Staat „innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen“. Das hätte auch insofern eine gewisse Logik, als die bislang identifizierten Täter der Pariser Anschläge französische oder belgische Staatsbürger waren. Demzufolge hätte die Bundesregierung nicht ihre Soldaten nach Syrien, sondern Polizisten nach Frankreich schicken müssen.

Tatsächlich hat sich die deutsche Administration die Sichtweise Frankreichs zu eigen gemacht. Im Mandatstext für den Bundeswehreinsatz beruft man sich ausdrücklich auf Artikel 51 UN-Charta und Artikel 42 EU-Vertrag. Mangels einer Resolution des UN-Sicherheitsrates, die eine militärische Intervention erlaubt, werden außerdem andere Resolutionen zitiert, die allgemein zum Kampf gegen den IS aufrufen. Der im Verteidigungs- und Außenministerium verfasste Mandatstext übernimmt damit die Neuinterpretation, dass terroristische Angriffe denen anderer Staaten gleichstellt.

Dazu müsste ein Terroranschlag einem anderen Staat zurechenbar sein. Das ist in Syrien nicht der Fall. Allerdings gibt es einen – in der Völkerrechtslehre äußerst umstrittenen – Ansatz, der es für ausreichend hält, wenn Terroristen in einem Land eine Operationsbasis haben, die Staatsmacht – also Assad – aber nicht willens oder in der Lage ist, sie wirksam zu bekämpfen. Diese Rechtsmeinung wird von den USA vertreten, von Großbritannien, Frankreich – und nun offenbar auch von Deutschland.
Allerdings bräuchte man zusätzlich das Argument einer Hilfsbitte. Eine solche Bitte gibt es in Syrien nicht.

Deutschland hat seine bisherige völkerrechtliche Praxis offensichtlich über Bord geworfen, und zwar ohne große öffentliche Debatte oder Erklärungen, sondern stillschweigend im Rahmen von juristischen Argumentationen in Mandatstexten.

Offen freilich ist, ob all das mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ist ein derart weit ausgelegtes Selbstverteidigungsrecht noch unter den Begriff der „Verteidigung“ des Artikels 87a zu fassen?   mehr Informationen

Siehe auch Artikel: Um Flüchtlinge aufzuhalten will man die Grenze zur Türkei mit einem EU-Beitritt öffnen

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