Ungleichbehandlung von Orthodoxen bringt Regierung in Israel in Schwierigkeiten

Nach Protesten in der Bevölkerung machte Benjamin Netanjahu am Sonntag den Weg frei für die Abschaffung eines umstrittenen Privilegs: Ultra-Orthodoxe sind in Israel bislang von der allgemeinen Wehrpflicht befreit, damit sie sich voll der Religion widmen können. Dies soll sich nun nach Beschluss der Regierung ändern. Grundsätzlich hat der Verteidigungsminister das „Recht“, junge Männer im Alter zwischen 18 und 21 für drei Jahre und Frauen für zwei Jahre einzuziehen.

Im Jahr 1952 traf sich Premierminister David Ben Gurion mit dem einflussreichen Rabbi Karelitz (bekannt als Chazon Ish) in dem Bemühen, die Trennung zwischen säkularen und religiösen Juden zu überbrücken. Chazon Ish erzählte ihm eine Parabel aus dem Talmud, dass wenn zwei Waggons sich auf einer schmalen Brücke begegnen, der eine leer und der andere voll, der Leere zurückfahren muss, damit der Volle passieren kann. Die logische Schlussfolgerung war, dass der säkulare Staat den Bedürfnissen der Religiösen Vorrang einräumen müsse. In der Folge dieses Treffens stimmte David Ben Gurion zu 400 religiöse Studenten der Talmudhochschule „deren Begabung das Studium der Torah ist“ von der Pflicht zum Wehrdienst freizustellen.

Über die Jahre hat sich die Ausnahme von der Einberufung für Talmudstudenten zu dem am bittersten diskutierten Streitthema in Israel entwickelt. Die Zahl der Ausnahmen nimmt jedes Jahr um Tausende zu. Aufgrund der ständigen Bedrohung der Sicherheit Israels wird von der politischen Mitte der israelischen Bevölkerung eine zweifache Last getragen: ein verpflichtender Militärdienst für alle über 18jährigen und enorme Steuersätze, um die Verteidigungskosten zu decken.

Die Weigerung der ultra-orthodoxen Juden, in der Armee zu dienen und Steuern zu zahlen, macht die Last auf den Schultern der restlichen Bürger geradezu untragbar. Das Problem wird durch die demographische Entwicklung noch einmal verstärkt. Religiöse Juden und muslimische Araber (keine von diesem Gruppen dient in der Armee oder zahlt einen nennenswerten Betrag an Steuern) haben eine höhere Geburtenrate als der Durchschnitt der normalen israelischen Bevölkerung. Durch ihre starke Vermehrung ist die Zahl der Orthodoxen inzwischen auf gute 15 Prozent der Bevölkerung angestiegen.

Die Anzahl an Kindern, die in diesem Jahr in Israel eingeschult werden, beträgt ca. 75.000 israelische „mainstream“ und modern-religiöse Juden (die die Last des Militärdienstes und der Steuern tragen), 40.000 muslimische Araber und 25.000 ultra-orthodoxe Juden.

Das Oberste Gericht in seiner Rolle als Verfassungsgericht entschied, dass die Ausnahmeregelung keine Gleichberechtigung für alle Bürger gewähre und deshalb verfassungswidrig sei. Da sie alle fünf Jahre erneuert werden musste, ist sie zum 1. Juli ausgelaufen.

Die Regierung hatte ein Komitee unter Führung des Knessetmitglieds Yohann Plesner ernannt, um mögliche Lösungen dieses Problems zu untersuchen. Netanjahu will die Frommen nicht vor den Kopf stoßen, da im Jahr 2013 Wahlen bevor stehen. Mit der jetzt erfolgten Veröffentlichung des Berichts und der absehbaren Unmöglichkeit, dieses Problem zu lösen haben die Spannungen einen neuen Höhepunkt erreicht und drohen die Regierungskoalition zu spalten.

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