Türkei: US-Pastor ohne Haftbefehl im Gefängnis

Der in der Türkei lebende US-Pastor Andrew Brunson sitzt seit bald einem Jahr ohne Haftbefehl im Gefängnis. Die türkischen Behörden werfen ihm Verbindungen zu Terrororganisationen vor, liefern jedoch bisher keine Beweise.

23 Jahre lang arbeitete der dreifache Familienvater Andrew Brunson als Pastor der freikirchlichen Auferstehungsgemeinde in Izmir. Die Familie aus dem US-Staat North Carolina hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen.

In der Türkei gibt es einige Dutzend ausländischer Pastoren wie Andrew Brunson. Ihre Arbeit ist nicht ungefährlich. Am 18. April 2007 wurden der deutsche Pastor Tilman Geske und zwei einheimische Mitarbeiter brutal ermordet. Pastor Andrew selbst wäre im Frühjahr 2011 beim Verlassen einer Kirche beinahe Opfer eines Anschlags geworden.

Nichts Böses ahnend, wurden Andrew Brunson und seine Ehefrau Norine am 7. Oktober 2016 in Izmir von der Polizei vorgeladen. Dort wurden sie zu ihrer Überraschung in Ausschaffungshaft genommen. Während Norine am 20. Oktober entlassen wurde und eine verlängerte Aufenthaltsgenehmigung erhielt, blieb ihr Mann bis zur Gerichtsanhörung vom 9. Dezember 2016 in Gewahrsam.

Erst an diesem Tag wurde Andrew Brunson dem Haftrichter vorgeführt und für unbestimmte Zeit in ein Untersuchungsgefängnis überstellt. Gegenwärtig sitzt er in einer gefüllten Zelle mit 21 anderen Gefangenen. 63 Tage konnte er keinen Besuch seines türkischen Anwalts empfangen. Dies ist inzwischen zwar möglich. «Doch die Besuche werden von der Gefängnisaufsicht aufgezeichnet». Nach anfänglicher Verweigerung kann nun auch Norine ihren Mann in beschränktem Umfang besuchen.

Die türkischen Behörden behaupten, dass Andrew Brunson eine Gefahr für die nationale Sicherheit sei. Ihm werden Verbindungen zum islamischen Prediger Fethullah Gülen angelastet, der für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht wird und seit 20 Jahren im US-Staat Pennsylvania lebt. Das türkische Blatt «Yeni Asir» meint, Brunson sei von Gülen bezahlt worden. Und die Zeitung «Takvim» erklärte den Pastor zum Agenten des amerikanischen Geheimdienstes CIA und Drahtzieher des Putschversuches. Im Weiteren soll Brunson der PKK moralische und finanzielle Unterstützung geleistet haben.

Doch es gibt keinen konkreten Verdacht. Auch Tochter Jacqueline weist die Anschuldigungen als absurd zurück: «Diese Vorwürfe passen in keiner Weise dazu, wer mein Vater ist, wie er uns erzogen hat und wie er mit Menschen umgeht.» Aykan Erdemir, Türkei-Experte an der «Foun­dation for Defense of Democracies» in Washington, bestätigt dies: «Das sind frei erfundene Vorwürfe. Von Rechtsstaatlichkeit oder einem fairen Verfahren kann hier absolut keine Rede sein.» Unterstützung erhält Erdemir auch von US-Senator James Lankford, der bemerkt: «Es ist sehr merkwürdig, dass ein Missio­nar und amerikanischer Staatsbürger nach mehr als 20 Jahren in der Türkei plötzlich wegen Terrorvorwürfen inhaftiert wird, ohne Beweise und ohne Anklage.»

Erdemir vermutet, dass Brunson ein Unterpfand von Erdogan sei. Brunson werde in der Türkei als Geisel für Fethullah Gülen festgehalten. Da die türkischen Behörden der USA keine überzeugenden Beweise für Gülens Putschversuch vorlegen konnten, verweigert die amerikanische Justiz bisher dessen Auslieferung an die Türkei.

Mittlerweile ist die Verhaftung von Andrew Brunson auf der höchsten politischen Ebene angekommen. Laut inoffiziellen Angaben war der Fall Gegenstand von Gesprächen zwischen US-Präsident Donald Trump und Erdogan bei dessen Besuch in den USA. Trump soll Erdogan aufgefordert haben, Brunson sofort freizulassen. Erdogan selbst blieb unbeeindruckt. Eine formale Anklage, die Eröffnung eines ordentlichen Prozesses und die Präsentation von Beweisen stehen dabei immer noch aus.

CSI Schweiz sammelt im Internet Signaturen, um auf den Fall aufmerksam zu machen.

Pastor ohne Haftbefehl im Gefängnis

Update: Präsident Erdoğan bot am 28. September den USA an, den Pastor freizulassen, wenn der im US-Bundesstaat Pennsylvania lebende islamische Prediger Fethullah Gülen ausgeliefert wird.

Die IGFM und idea rufen dazu auf, in Briefen an den türkischen Präsidenten die Freilassung von Brunson einzusetzen. Die Türkei habe sich zur Achtung der Religionsfreiheit verpflichtet.

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