Suizidwillige brauchen nicht den Giftbecher

Jeder Mensch, der sich das Leben nehmen will, ist in einer seelischen Notlage, sagt Alterspsychiater Raimund Klesse in der BAZ. Diese Menschen leiden unter Ängsten oder signalisieren, dass sie  unter den gegebenen Umständen nicht mehr weiterleben wollen.

Es geht darum, Wege zu finden, die Umstände zu verbessern – egal, ob es um eine Krankheit oder um seelische Schmerzen geht. Über neunzig Prozent der Menschen, die einen Suizidversuch gemacht haben, machen keinen zweiten. Suizidwillige brauchen Menschen, die ihnen im Leben beistehen – nicht solche, die ihnen den Giftbecher reichen.

Viele Menschen, die schwer krank werden, fühlen sich der neuen Lebenssituation nicht gewachsen oder sind sich nicht sicher, ob ihnen gerne geholfen wird. Aber es gibt immer Möglichkeiten, die Lebensumstände zu verbessern. Wichtig ist, auf Leute mit einem Sterbewunsch zuzugehen, ihnen Alternativen aufzuzeigen und vor allem menschlich präsent zu sein.

Demenzkranke benötigen vor allem Sicherheit. Sich das Leben zu nehmen aus Angst vor einem Zustand, den man noch gar nicht kennt, ist sehr speziell. Die Angehörigen sollten den Betroffenen signalisieren, dass sie diese nicht verlieren wollen und bereit sind, sie auf dem Krankheitsweg zu begleiten. Die beiden von der «Rundschau» porträtierten Frauen, die sich wegen Demenz das Leben genommen haben, würden wohl noch leben, wenn ihnen die Sterbeorganisation Exit nicht den Freitod angeboten hätte.

Angehörige haben einen großen Einfluss, wie sich Demenzkranke fühlen.

Ich erlebte einmal, dass ein gebildeter Mann nach der Demenzdiagnose schwer depressiv wurde und sich sogar das Leben nehmen wollte. Als er aber in ein Stadium kam, in dem er nicht mehr realisierte, dass er alles vergaß, verbesserte sich seine Stimmung schlagartig. Er wurde fröhlich, ja richtig leutselig, während er vorher eher reserviert und zurückhaltend war. Seine Frau sagte, sie beide hätten es zusammen noch nie so gut gehabt, auch was Zärtlichkeiten angeht. Später musste dieser Mann in einem Heim gepflegt werden. Er behielt seine offene Art auch dort, bis er friedlich starb.

Wenn das Kurzzeitgedächtnis nachlässt, lebt der Mensch vor allem im Hier und Jetzt, und seine Lebensqualität hängt davon ab, ob er sich in einem liebe- und verständnisvollen Umfeld befindet. Viele haben ein gutes oder sogar fröhliches Leben. Viele entwickeln eine Offenheit und Spontaneität, die ihnen vorher fremd war.

Für die Angehörigen ist die Krankheit meist schwieriger zu akzeptieren als für die Kranken selber.

Die Ängste sind nachvollziehbar, denn die Vorstellung, allmählich die Kontrolle über sein Leben zu verlieren, ist nicht angenehm. Das Bild, das in der Öffentlichkeit von der Demenz gezeichnet wird, entspricht aber kaum der Realität.

Wenn wir anfangen, den Wert eines Menschenlebens zu relativieren, kann das böse enden. Niemand kommt völlig losgelöst von seiner Umwelt zum Entscheid, sein Leben zu beenden.

Ich finde es verheerend, wenn Ärzte und Angehörige von Menschen, die bereits einen Termin für einen begleiteten Suizid haben, tatenlos zuschauen. Eine solche Haltung wirkt wie eine Bestätigung für den Betroffenen, dass sein Leben nicht mehr lebenswert sein soll, und der Tod die richtige Wahl sei. Ich habe Mühe damit, dass ich einen Todeswunsch «respektieren» soll. Meine Überzeugung sagt mir, dass es nie der richtige Weg ist, sich das Leben zu nehmen. Man muss lebensmüden Menschen auch aufzeigen, wie traumatisch sich ein Suizid auf die Angehörigen auswirkt.

Einen Todeswunsch «respektieren» heißt, jemanden in seiner Not alleine lassen. Viele alte Menschen mit Todeswunsch leiden an Einsamkeit oder fürchten, von anderen abhängig zu sein. Dabei ist es normal, dass man im Alter die Hilfe von Jüngeren in Anspruch nehmen muss. Ein Mensch mit Suizidwunsch braucht die Zusicherung von den Angehörigen, dass sie mit ihm mit allen Konsequenzen die letzte Lebenszeit teilen wollen, und dass sie darum mit seiner Entscheidung nicht einverstanden sind. mehr Informationen

Christlicher Glaube und Demenz

Die Sorge nach geistigem Abbau ist bei allen berechtigt, und es gibt etliche Ratgeber für Gegenmaßnahmen. Ein amerikanischer Mediziner hat wissenschaftlich herausgefunden, dass katholische Nonnen der Statistik nach trotz üblichem Gehirn-Abbau im sehr hohen Alter trotzdem keine geistige Demenz zeigten. Ihr christliches Leben hatte dafür gesorgt, dass sogar Wiederaufbau-Prozesse des Gehirns möglich waren! (Brigitte, Ildiko … weiterlesen

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