Schechina – Die Gegenwart Gottes

Juden und Christen im Gespräch über die Bibel

Dienstag, 8. Februar 2022, Radio Maria Schweiz

In dieser Sendung dabei ist Dr. Richard Breslauer, Dozent an der Jüdisch – Christlichen Akademie in Basel, und Hanspeter Obrist, Erwachsenenbilder aus Schmerikon.

Impuls von Hanspeter Obrist zum Thema

Was bedeutet die Gegenwart Gottes für Christen?

In 1.Mose 1,27 lesen wir, dass der Mensch als Gegenüber von Gott erschaffen wurde. Adam nimmt Gottes Gegenwart war und sie sprechen miteinander. Gott sucht auch nach Adam, nachdem er und Eva gegen Gottes Anweisungen gehandelt haben. Sie wollten selbst entscheiden, was für sie Gut und Böse ist. Doch das hatte zur Folge, dass sie den Garten Eden, wo ihnen Gott begegnet war, verlassen mussten. Danach nimmt der Mensch Gott nicht mehr offen wahr. Dennoch spricht Gott zu den Menschen. Er spricht sogar zum rebellierenden Kain.

Später lesen wir von Henoch, der mit Gott lebte und ohne zu sterben zu Gott kam (1.Mose 5,24).

Gott spricht mit Noah, Abraham, Isaak, Jakob und Mose. Später durch die Propheten und David.

Als die Israeliten am Berg Gottes seine Stimme hörten, wollten sie, dass Gott nicht mehr direkt, sondern durch die von ihm erwählte Personen zu ihnen spricht (2.Mose 20,19).

Gottes Gegenwart wurde sichtbar durch die Wolken- und Feuersäule über der Stiftshütte (2.Mose 40,35 / 2.Mose 33,9). Bei der Einweihung des Tempels durch Salomo manifestierte sich die Herrlichkeit Gottes wieder durch eine Wolke (1.Könige 8,11). Im Hesekiel Buch wird beschrieben, wie die Schechina den Tempel verließ und zuletzt auf dem Ölberg war (Hesekiel 11,23). Von dort wird sie nach Hesekiel 43,4 wieder von Osten her zurückkommen.

Im Zweiten Tempel ruhte nach rabbinischer Sicht die Schechina nicht im Tempel: Im Babylonischer Talmud, Traktat Joma 9b steht: „Wären sie auch zur Zeit E͑zras alle mitgekommen, würde die Göttlichkeit im zweiten Tempel nicht geweilt haben“ Joma 9b.

Im gleichen Traktat steht: Mit dem Tode der letzten Propheten, Ḥaggaj, Zekharja und Maleakhi, wich der heilige Geist von Jisraél“.

In Johannes 1,33 sagt Johannes der Täufer: Der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft.“ Gott begann wieder mit den Menschen zu sprechen.

Als Jesus geboren wurde steht in Lukas 2,9 über die Hirten auf den Feldern von Bethlehem: «Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr.»

In Johannes 1,14 steht: «Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.» Damit wird aufgenommen was in Jesaja 7,14 steht: Immanuel“ Gott mit uns. (עִמָּנוּ אֵל „Gott (ist/sei) mit uns“).

Jesus sagte in Johannes 12,45: „Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat.“

In Jesus begegnet uns Gott, so wie in 1. Mose 18 Gott Abraham als Mensch begegnet. In 1. Mose 18,1-2 steht: „Der HERR (JHWH) erschien Abraham … 2 Er erhob seine Augen und schaute auf, siehe, da standen drei Männer vor ihm.“

Jesus spricht auch von einer neuen Realität. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.“ Matthäus 18,20

In Johannes 14,23 sagt Jesus sogar: »Wenn jemand mich liebt, wird er sich nach meinem Wort richten. Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.

Jesus nimmt damit die Verheißung auf, dass Gott unter seinem Volk wohnt. In 2.Mose 29,46 steht: „Sie sollen erkennen, dass ich der HERR, ihr Gott bin, der sie aus Ägypten herausgeführt hat, um in ihrer Mitte zu wohnen, ich, der HERR, ihr Gott.“ In  5.Mose 16,11 werden auch die Fremden und Sklaven miteinbezogen.

An Pfingsten an Schawuaot kam Gottes Gegenwart in Feuerflammen über die Schüler von Jesus.

So wie ich den Unterschied der Gegenwart Gottes im Judentum und der Jesusbewegung wahrnehme, ist für Juden Gottes Gegenwart heute in der Torah.

Im Mischnatraktat Avot 3,6 heißt es: „Rabbi alaftā͗ aus Kəfar Ḥananjāh sagt: ‚Wenn zehn, die zusammensitzen und in die Worte der Tora vertieft sind, ist die Einwohnung (šəkhînāh) unter ihnen.‘ Wie gesagt ist: ‚Gott steht in der Gemeinde Gottes‘ (Psalm 82,1; vgl. Sanhedrin 1,6; Numeri 14,27).

Religionswissenschaftler Karl Erich Grötzinger sagt im Deutschlandfunk am 14.08.2018 zum Gespräch zwischen Gott und Abraham über Sodom: „Abraham lässt nie nach und fragt immer weiter und fragt immer weiter. Das ist gewissermaßen die Urzelle des jüdischen Fragens. … Nur richteten sich die Fragen später nicht mehr unmittelbar an Gott, sondern an die Texte.

Für Christen ist die Gegenwart Gottes in Jesus erfahrbar, der durch den Heiligen Geist bei den Menschen gegenwärtig ist, die sich für ihn öffnen. Als besondere Zeiten werden das persönliche Gespräch mit Gott erfahren, oder der Lobgesang oder die Eucharistie und Abendmahl.

Nach den Worten „Wir sind doch der Tempel des lebendigen Gottes“ in 2.Korinther 6,16 zitiert Paulus 3.Mose 26,11-12: „Ich schlage meine Wohnung in eurer Mitte auf … Ich gehe in eurer Mitte; ich bin euer Gott und ihr seid mein Volk.“

Gott ist nicht fern, sondern bei jedem, der sich ihm anvertraut.

Martin Buber schreibt in „Die Erzählungen der Chassidim“: „Wo wohnt Gott?“ Der Rabbi überraschte mit dieser Frage seine Gäste. Diese waren gelehrte Männer und lachten über ihn: „Wie redest du? Die ganze Welt ist doch voll von Gottes Herrlichkeit!“ Er aber antwortete auf die Frage: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt.“

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