Professor für islamische Religionspädagogik bricht ein Tabu

Dr. Ednan Aslan sagt im General Anzeiger Bonn: Die klassisch islamisch-theologische Lehre sei nicht friedliebend, sondern eine Theologie der Gewalt.

Hier einige Auszüge aus dem Interview von Jasmin Fischer:

Heißt es denn nicht, dass der Islam eine friedliebende Religion sei, der Koran keine Gewalt verherrlicht?
Aslan: Ich verstehe Leute nicht, die die Position vertreten, die Gewalttaten hätten nichts mit dem Islam zu tun. Sie haben sehr wohl etwas mit dem Mainstream-Islam zu tun! In den Vorschriften der vier prägenden Rechtsschulen, von den Sunniten bis zu den Schiiten, heißt es, man muss jene töten, die Gott und seinen Gesandten beleidigen. In Saudi-Arabien gibt es jede Woche auf ordentlicher Rechtsgrundlage Auspeitschungen und Enthauptungen, und es hat sie immer gegeben. Es gehört nur zur Doppelmoral westlicher Politiker, auch Angela Merkel, solche Zustände etwa in Syrien oder im Irak anzuprangern, nicht aber in Riad.

Gibt es andere, konkrete Beispiele?
Aslan: Die Tötung von Homosexuellen wird in jedem Rechtsgrundwerk des Islams gefordert. Es heißt, man solle sie von einem Berg stoßen oder von einer Wand begraben lassen. Wenn in diesen Tagen Homosexuelle von Hochhäusern in Syrien geschmissen werden, dann werden dort genau diese tradierten Rechtsvorschriften in die Praxis umgesetzt. Der IS könnte seine Geiseln mit den modernen Maschinengewehren erschießen, die er hat – stattdessen kommt es zu Enthauptungen mit dem Messer. Warum? Weil auch die IS-Männer glauben, eine alte Tradition des islamischen Rechts wiederzubeleben. Es ist also höchste Zeit, dass sich muslimische Theologen kritisch mit ihrer Lehre auseinandersetzen. Man kann Leute nicht als Barbaren beschuldigen, wenn sie bloß das Recht, das sie inhaliert haben, in die Praxis umsetzen. … Diese Theologie wird nämlich gepredigt und von der Mehrheit der Muslime vertreten, auch wenn diese Mehrheit sehr viel fortschrittlicher ist als ihre Theologie.

Wo wird der Islam als Theologie der Gewalt denn gelehrt?
Aslan: Überall! Im Jemen, in Saudi-Arabien, Pakistan, Ägypten und zum Teil auch in der Türkei. Da die rund 2000 Imame, die in Deutschland arbeiten, obendrein nahezu alle islamischen Organisationen wie DITIP, Milli Görüs, die Kulturvereine, zum größten Teil aus dem Ausland gesteuert werden, können sie sich dieser Theologie kaum widersetzen. Sie folgen Anweisungen und können ihre Rolle nicht überstrapazieren. Und das macht mir Angst, das macht anderen Muslimen Angst: Dass wir den Islam bislang nicht europäisch prägen konnten.

Wie könnte denn ein deutscher Islam aussehen?
Aslan: Konservative Muslime verursachen ja nicht unbedingt Gewalt. … Entscheidend ist, dass die Theologie die gesellschaftlichen Verhältnisse und die heutige Lebenswirklichkeit erklären kann …Kritische Loyalität ist nämlich die Essenz der Demokratie. … Eine Reform, eine moderne, europäische Prägung des Islams kann nur im deutschsprachigen Raum etabliert werden – oder gar nicht. … Was wirklich nicht zu Deutschland gehört, ist ein türkisch, arabisch oder pakistanisch geprägter Islam. … Kritik schadet Muslimen nicht. Wir müssen uns aber vor allem selbst der Aufgabe stellen, unsere Theologie zu kritisieren und zu erneuern. Das ist unser Job. Das können nur wir selbst. Ich will Muslime wachrütteln und dazu ermutigen.

Dr. Ednan Aslan, geboren 1959 in der Türkei, ist Professor für islamische Religionspädagogik an der Universität Wien. Er studierte Pädagogik und Politikwissenschaft an den Universitäten Tübingen und Stuttgart und promovierte über die „Religiöse Erziehung der muslimischen Kinder in Österreich und Deutschland“. Seit 2005 Fachinspektor für den islamischen Religionsunterricht an Pflichtschulen in Wien.

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