Mit Psychologen gegen Islamisten?

Einsame Wölfe, kranke, verwirrte Kriminelle oder blutrünstige Angeber: So wurden Attentäter in den vergangenen Wochen oft beschrieben. Der Kampf gegen islamistischen Terror sei in erster Linie ein Fall für Psychologen und Psychiater. Terroristen seien allenfalls vom IS inspiriert – aber sie hätten vor dem Attentat keine oder höchstens spärliche Kontakte mit Dritten aus dem IS-Umfeld gepflegt. Sie seien im Netz radikalisiert worden, oft sei das «plötzlich» geschehen, und sie hätten sich online oder in Moscheen vom IS-Gedankengut «anstecken» lassen. Das mache es so schwierig, Attentate von einsamen Wölfen zu verhindern.

Doch die jüngsten Beispiele zeigen, dass die «einsamen Wölfe» keine Einzelgänger sind. Was bedeutet: Gute Geheimdienste haben eine Chance, sie rechtzeitig aufzuspüren.

Riaz Khan Ahmadzai hatte Mitte Juli in einem Würzburger Regionalzug mehrere Menschen mit einer Axt und einem Messer schwer verletzt. Auch wenn er am Tatort allein war: Ahmadzai handelte nicht aufgrund einer spontanen Eingebung oder eines unkontrollier­baren Wutanfalls. Er hatte einen Kontaktmann beim IS, der ihn via Chat intensiv begleitete. Der Kontaktmann, so Spiegel Online, hatte Ahmadzai zunächst vorgeschlagen, mit einem Auto in eine Menschenmenge zu fahren. Ahmadzai lehnte das ab – weil er keinen Fahrausweis besitze. Für die Betreuung des „minderjahrigen“ Riaz Khan Ahmadzai hat der Steuerzahler im vergangenen Jahr rund 52.000 Euro gezahlt, ergaben Recherchen des Münchner Merkurs.

Auch der Attentäter, der in Ansbach eine selbstgebaute Bombe zündete, war offenbar vom IS gelenkt. Der Attentäter hatte sich via Chat dem IS als Attentäter angeboten, weiss die Süddeutsche Zeitung. Dieser beriet ihn dann bei der Vorbereitung «bis hin zum Moment, als er seine Bombe vor einem Weinlokal zündete».

Der Mörder von Nizza, der mit einem gemieteten Lastwagen ein Massaker anrichtete, hatte ebenfalls mehrere Komplizen.

Im Terrorismus gebe es zwar einsame Wölfe – «aber sie werden immer seltener», heisst es in einer neulich von der Henry Jackson Society ­herausgegebenen Studie.

Wie professionell der IS beim Anwerben von Rekruten, deren Ausbildung und deren Einsatzplanung vorgeht, dokumentierte letzte Woche eine grosse Recherche der New York Times. Aufgrund von Gesprächen mit ehemaligen Rekruten und Inforationen westlicher Geheimdienste zeigt das Reporterteam den vielschichtigen Apparat, der Terroristen für ihre Mission ins Ausland schickt. So existiert zum Beispiel ein Geheimdienst für Europa und für Asien. In den USA und in Kanada verfolgt der IS eine andere Taktik. Wenn sie einmal mit dem IS in Kontakt waren, ist für sie die Rückkehr in die Heimat bedeutend schwieriger und riskanter als für europäische IS-Terroristen. Die USA haben eine strengere Grenzkontrolle als Europa. Deshalb werbe der IS in den USA lieber über soziale Medien an. Organisiert werden vom IS auch Schmuggler, die Terroristen nach Europa bringen, und Geldwechsler, die für die Übermittlung von Finanzmitteln sorgen. Die ganze Logistik werde, so NYT, von einem ranghohen IS-Offizier überwacht, der für den Export des Terrors verantwortlich ist.

Die These, wonach der Terror in Europa von einsamen Wölfen ausgeführt wird, ist nicht nur falsch, weil sie die strategische Planung solcher Attacken durch den IS ausklammert – sie ist auch gefährlich. Weil sie von den Hintermännern und ihrer Organisation ablenkt.    mehr Informationen

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Terror nicht ohne die Ideologie
Extremisten definieren im Internet, was ein Muslim ist

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