Jerusalem im Wandel der Zeit

Jerusalem ist die Hauptstadt Israels. Sie liegt in den judäischen Bergen zwischen dem Mittelmeer und dem Toten Meer, auf einer Höhe zwischen 606 und 826 Metern ü. M. In Jerusalem begegnen sich viele Kulturen der Antike und der Moderne. Die Altstadt, die von einer Mauer umgeben ist, umfasst je ein jüdisches, christliches, armenisches und muslimisches Viertel. Die Altstadt Jerusalems wurde 1981 von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Jerusalem wird von Christen, Juden und Muslimen als Heilige Stadt betrachtet.

Die ältesten bisher nachgewiesenen Spuren menschlicher Besiedlung im heutigen Stadtgebiet sind keramische Ausgrabungsfunde auf dem Berg Ophel, die auf 5000 v. Chr. datiert werden. In ägyptischen Texten aus dem 19. und 18. Jahrhundert v. Chr. erscheint erstmals die Buchstabenfolge yrwšlm (Jeruschalem) als Name der Stadt. Der heute übliche hebräische Name Jeruschalajim ist ein Dual und kam erst in der Zeit des zweiten Tempels auf (515 v. Chr. bis 70 n. Chr.). Nach der Bibel (Josua 15,63 und Richter 1,21) gehörte die Stadt zur Zeit der israelitischen Landnahme Kanaans um 1230 v. Chr. den Jebusitern, in deren Nachbarschaft Israeliten der Stämme Benjamin und Juda siedelten. Um 1000 v. Chr. eroberte König David Jerusalem (2. Samuel 5,6ff). Danach verlegte er seinen Regierungssitz von Hebron nach Jerusalem, das etwa in der Mitte zwischen dem Norden und dem Süden Israels lag und auf das bis dahin kein Stamm der Israeliten Besitzansprüche erhoben hatte. Indem David die Bundeslade dorthin überführte, machte er die Stadt auch zum religiösen Mittelpunkt seines Reichs. Davids Sohn Salomo, der von ca. 965–926 v. Chr. regierte, erbaute einen Palast und nach den Plänen Davids in den Jahren 962–955 v. Chr. den ersten Tempel für JHWH, den Gott Israels (1. Könige 8).

Nach Salomos Tod und der Spaltung des Königreichs in die Staaten Juda (Süden) und Israel (Norden) wurde Jerusalem die Hauptstadt des Südreiches Juda. Königin Atalja (R. 845–840 v. Chr.) führte den Baalskult im Tempel ein. Unter König Ahas (R. 741–725 v. Chr.) wurden möglicherweise auch assyrische Götter verehrt. Erst König Hiskija (R. 725–697 v. Chr.) weihte den Tempel wieder JHWH, dem Gott Israels, befestigte die Stadt durch Mauern und ließ zur Sicherung der Wasserversorgung einen Tunnel graben. König Joschija machte Jerusalem 628 v. Chr. zur alleinigen legitimen israelitischen Kultstätte, indem er die übrigen Heiligtümer, die bis dahin noch existierten, zerstören ließ.

Der babylonische König Nebukadnezar II. eroberte Jerusalem erstmals 597 v. Chr. und setzte den jüdischen Königssohn Zedekia als Vasallenkönig ein. Nach dessen Bruch mit den Babyloniern ließ Nebukadnezar 587 v. Chr. Jerusalem und seinen Tempel zerstören und führte die herrschende Klasse der Juden in das babylonische Exil. Nach der Einnahme Babylons durch die Perser erlaubte König Kyros II. den exilierten Juden 538 v. Chr. die Heimkehr und den Wiederaufbau ihres Tempels in Jerusalem.

Unter den Römern und Byzantinern war 560 Jahre lang Cäsarea Maritima die Hauptstadt des Landes. Unter römischer Herrschaft wurde der von Herodes dem Großen prunkvoll ausgestattete und erweiterte zweite Tempel im Jahre 70 n. Chr. durch Titus zerstört. Kaiser Hadrian verbot den Juden nach dem Bar-Kochba-Aufstand 135 n. Chr. unter Androhung der Todesstrafe den Zutritt zur Stadt Jerusalem und benannte sie in Aelia Capitolina um. Nachdem Kaiserin Helena im Heiligen Land Grabungen veranlasst hatte, ließen sie und ihr Sohn Konstantin der Große am Ort der vermuteten Kreuzauffindung die Grabeskirche erbauen (326–335). Nach der Teilung des Römischen Reiches im Jahre 395 fiel Jerusalem an das Oströmische Reich (Byzanz). Die Stadt durchlebte unter byzantinischer Herrschaft eine anhaltende Friedensperiode.

Erst durch die Eroberungspolitik des persischen Sassaniden Chosraus II. rückte die Stadt wieder in den Fokus. Sie wurde 614 n. Chr. im Zuge des römisch-persischen Krieges belagert. Nach 21 Tagen eroberten die Perser und ihre jüdischen Verbündeten die Stadt. Dabei wurden angeblich bis zu 90 000 Menschen ermordet und die Marienkirche (530 bis 614) auf dem Tempelplatz zerstört. 628 n. Chr. nahm der byzantinische Kaiser Herakleios Jerusalem wieder ein.

Im Zuge der islamischen Eroberung kam Jerusalem 637 n. Chr. unter muslimische Herrschaft. Während der Umayyaden-Dynastie (661–750 n. Chr.), die von Damaskus aus regierte, entstand der Felsendom (687–691 n. Chr.) und die Al-Aqsa-Moschee (707 n. Chr.) als alternative muslimische Kultstätte, da die Wallfahrt nach Mekka während des islamischen Bürgerkrieges zu dieser Zeit unmöglich war. 750 n. Chr. lösten die persisch-iranischen Abbasiden aus Bagdad die Umayyaden-Dynastie ab.

Im Jahre 979 eroberten die schiitischen Fatimiden aus Nordafrika Jerusalem in einem blutigen Feldzug von den Abbasiden. Bei diesem Blutbad, das nicht nur unter den verfeindeten Muslimen stattfand, sondern auch die christlich-jüdische Zivilbevölkerung einschloss, wurde die Grabeskirche in Brand gesteckt und beschädigt. Zahlreiche Synagogen und Kirchen fielen ebenfalls der Auseinandersetzung zum Opfer.

Im Jahr 1009 wurde die Grabeskirche auf Befehl des schiitischen Fatimiden-Kalifen al-Hakim zerstört. Dabei wurde das zu diesem Zeitpunkt noch weitgehend intakte Felsengrab abgebrochen. Mit dem Pogrom gegen Juden und Christen begann eine fünf Jahre andauernde Verfolgung der „Ungläubigen“. So war ihnen der Konsum von Wein und Schweinefleisch untersagt. Des Weiteren wurden diskriminierende Bekleidungsvorschriften eingeführt, nach denen die jüdischen Einwohner z. B. eine Glocke um den Hals tragen mussten. Al-Hakim verbot den Muslimen jeden geschäftlichen Umgang mit Christen und Juden, zog die Besitzungen aller Kirchen und Synagogen ein und ließ mehrere von ihnen zerstören. Christen durften außerdem kein Pferd besteigen, kein Schwert oder eine sonstige Waffe führen, keinen Turban und keine landesüblichen Schuhe tragen. Sie mussten sich an der Stirne scheren und an einem Gürtel und zwei gelben Stoffbändern an der Schulter erkennbar sein. An der Haustür mussten sie die hölzerne Darstellung eines Dämons anbringen. 19 Jahre später erlaubte der Nachfolger von Al-Hakim, Kalif Al-Zahir (1021–1036), den Wiederaufbau der Grabeskirche und lockerte die Auflagen für die „Ungläubigen“, nachdem der byzantinische Kaiser Romanos III. dem Bau einer Moschee in Konstantinopel (Byzanz) zugestimmt hatte.

1078 wurde Jerusalem erneut blutig eingenommen. Die sunnitischen Seldschuken (türkische Fürstendynastie aus der Gegend des heutigen Teheran) eroberten Jerusalem von den Fatimiden und richteten erneut ein entsetzliches Blutbad an, auch unter den christlichen und jüdischen Bewohnern. Die Seldschuken verboten danach jede Reparatur an Synagogen und Kirchen und erschwerten den Zugang zu den heiligen Stätten erheblich. Pilgerfahrten ins Heilige Land wurden aufgrund der andauernden Kriege zwischen Seldschuken und Byzanz fast unmöglich.

Im August 1098 stießen die schiitischen Fatimiden erneut gegen Jerusalem vor und warfen die verfeindeten sunnitischen Seldschuken bis nach Syrien zurück. In extrem blutigen Kämpfen eroberten sie Jerusalem. Die Berichte über die vielen Toten in Jerusalem sowie die Hilferufe des byzantinischen Kaisers, der sich als Schutzpatron der Heiligen Stätten verstand, erreichten auch Europa, was den Anstoß zum Ersten Kreuzzug gab. Nur wenige Monate nachdem die muslimischen Fatimiden Jerusalem erobert hatten, nahmen die Kreuzritter unter Gottfried von Bouillon 1099 Jerusalem ein und töteten in drei Tagen bis zu 20 000 Bewohner.

Im Jahre 1187 gelang es Saladin, dem sunnitischen Ayyubiden-Sultan von Ägypten, Jerusalem nach kurzer Belagerung zu erobern. Die Ayyubiden-Herrschaft wurde von Kaiser Friedrich II. unterbrochen, der von 1229 bis 1244 als selbst proklamierter König über Jerusalem regierte, nachdem er die unbefestigte Stadt ohne militärische Aktion auf dem Verhandlungsweg vom Ayyubiden-Sultan al-Kamil aus Ägypten erhalten hatte. 1244 eroberte der Ayyubiden-Sultan As-Salih die Stadt zurück. 1249 wurde die sunnitische Ayyubiden-Dynastie in Ägypten von den türkischstämmigen Mamluken abgelöst. Sie beherrschten Jerusalem bis ins frühe 16. Jahrhundert. Unter muslimischer Herrschaft galten nur Muslime als vollgültige Bürger. Christen und Juden mussten sich durch ihre Kleidung kenntlich machen. Sie durften ihren Glauben als Anhänger einer Buch-Religion zwar im Allgemeinen ausüben, wurden aber rechtlich in fast allen Lebensbereichen diskriminiert und mussten eine Kopfsteuer zahlen.

Im Jahre 1516 besiegte die Osmanische Armee aus der Türkei die Mamluken in Syrien. In weiterer Folge wurden Ägypten und Arabien durch die Osmanen erobert. Nach 1535 ließ Sultan Süleyman I. (1496–1566) die Befestigungen der Stadt Jerusalem in zum Teil veränderter Linie erneut errichten, so wie sie heute noch zu sehen sind.

Anfang des 19. Jahrhunderts entstand bei den Protestanten aufgrund biblischer Prophezeiungen ein Interesse an Jerusalem. Ab 1841 trafen immer mehr protestantische Siedler in der Stadt ein. Mit der vom Zionis-mus geprägten Einwanderungswelle ab 1882 kamen auch immer mehr Juden in die Stadt. Neben den protestantischen Siedlungen wurden außerhalb der Stadtmauern erste jüdische Wohngebiete gegründet. Um 1880 war etwa die Hälfte der rund 30 000 Einwohner Jerusalems jüdisch.

Während des Ersten Weltkrieges wurden die Osmanen mit der Hilfe von jüdischen und arabischen Kämpfern vertrieben. Sir Henry McMahon, der britische Hochkommissar in Ägypten, versprach dem Sherif von Mekka brieflich ein unabhängiges arabisches Großreich im Gegenzug für einen arabischen Aufstand gegen die Türken. Der britische Außenminister Lord Balfour jedoch versprach am 2. November 1917 gegenüber Baron Lionel Rothschild die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina. Am 9. Dezember 1917 übergab der osmanische Gouverneur die Stadt kampflos an die Briten. Jerusalem gehörte nun zum Mandatsgebiet der Engländer und wurde zum zentralen Streitpunkt im Nahen Osten, da Juden und Araber diese Stadt beanspruchten.

Deshalb sah der Teilungsvorschlag der Vereinten Nationen von 1947 vor, auf dem Gebiet des heutigen Israel einen vorwiegend jüdischen und einen palästinensischen Staat zu schaffen und Jerusalem unter internationale Verwaltung zu stellen. Am 29. November 1947 nahmen mehr als zwei Drittel der stimmberechtigten Mitglieder der UN-Vollversammlung den Teilungsbeschluss, die Resolution 181, an. Der Teilungsplan wurde jedoch nie umgesetzt: Die arabischen Staaten betrachteten ihn als unzumutbaren Verzicht auf einen Teil des „Dar al Islam“ .

Die israelische Unabhängigkeitserklärung, die die Grundlage für die Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948 bildete, erwähnte Jerusalem nicht, versprach aber, dass Israel die heiligen Stätten aller Religionen schützen werde. Am 15. Mai 1948 griffen fünf arabische Staaten Israel an. Im Israelischen Unabhängigkeitskrieg eroberten die israelischen Streitkräfte große Teile des ehemaligen Mandatsgebiets, verloren jedoch das jüdische Viertel der Jerusalemer Altstadt und den Osten der Stadt an Jordanien. Die jüdische Bevölkerung wurde aus Ostjerusalem vertrieben, das jüdische Viertel in der Altstadt zerstört, und der Zugang zur Klagemauer, dem heiligsten Ort des Judentums, blieb Juden fortan verwehrt. 1949 wurde ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Jerusalem blieb bis 1967 in das israelische Westjerusalem und das jordanische Ostjerusalem geteilt.

Am 4. Januar 1950 erklärte Israel Jerusalem zu seiner Hauptstadt. König Abdallah Ibn Husain I. von Jordanien annektierte darauf das von seinen Truppen eroberte Westjordanland und Ostjerusalem. Nur Pakis-tan erkannte dies an, Großbritannien erkannte nur die Annexion des Westjordanlandes an.

Im Sechstagekrieg vom 5. bis 10. Juni 1967 wurde Ostjerusalem mit der Altstadt von den israelischen Truppen zurückerobert. Israel verweigerte den Muslimen den Zugang zu ihren heiligen Stätten nicht, sondern unterstellte den Tempelberg einer muslimischen Verwaltung (WAQF).

Das Jerusalemgesetz, das am 30. Juli 1980 von der Knesset verabschiedet wurde, fasste beide Stadtteile und einige Umlandgemeinden zusammen und erklärte Jerusalem zur untrennbaren Hauptstadt Israels. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erklärte die Annexion Ostjerusalems für nichtig (UN-Resolution 478). 1988 gab Jordanien seinen Anspruch auf Souveränität über das Westjordanland und damit auch auf Ostjerusalem auf. Im selben Jahr rief die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO den Staat Palästina aus und erklärte Jerusalem zu seiner Hauptstadt.

In der Prinzipienerklärung über die vorübergehende Selbstverwaltung Palästinas, die Israel und die PLO am 13. September 1993 unterzeichneten, wurde die palästinensische Selbstverwaltung, wie sie in zwei Formen für das Westjordanland festgeschrieben wurde (Gebiete A und Gebiete B), für keinen Teil Jerusalems übernommen.

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