Glaubwürdigkeit verspielt

Seit Patriarch Kyrill den russischen Krieg gegen die Ukraine rechtfertigt, ist das Ansehen des Moskauer Patriarchats im freien Fall: nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit.

Wladimir Putins militärischem Krieg gegen die Ukraine ging ein jahrelanger kirchlicher Krieg um die Ukraine voraus. Das Moskauer Patriarchat beansprucht das Land als Teil seines kanonischen Territoriums, während die Ukrainer nach der staatlichen auch die kirchliche Eigenständigkeit (Autokephalie) erstrebten. In der Ukraine wurden Millionen orthodoxer Christen von Moskau zu Schismatikern erklärt. Diese Exkommunikation war kirchenrechtlich nicht legitim, denn diese Menschen wollten orthodox bleiben und lediglich autokephal werden. Die Anerkennung der ukrainischen Autokephalie durch den Ökumenischen Patriarchen war kirchenrechtlich korrekt.

Das Moskauer Patriarchat jedoch erklärte Bartholomaios den Krieg: Es hörte auf, den „Ersten“ (Protos) der weltweiten Orthodoxie im Hochgebet zu nennen, kündigte einseitig die kirchliche Gemeinschaft und bricht nun mit jenen orthodoxen Kirchen, die den ukrainischen Primas Epifanij im Gebet nennen (kommemorieren) oder mit ihm zelebrieren. Das taten bisher die Kirchen von Griechenland, Zypern und Alexandria. Weil Alexandria aus orthodoxer Sicht für ganz Afrika zuständig ist, rächt sich das Moskauer Patriarchat, indem es zwei Diözesen in Afrika gründet.

Moskau behauptet, die Kirche von Alexandria sei nun ebenfalls schismatisch und ihre Gläubigen außerhalb des Heils!

Nur drei von 14 eigenständigen Orthodoxien folgten dem Ökumenischen Patriarchen in der Anerkennung der ukrainischen Autokephalie, aber viele kritisierten seine Entscheidung. Zugleich brach außer Moskau niemand die Kirchengemeinschaft mit ihm ab.

Doch dann fiel Russland am 24. Februar in der Ukraine ein und das Moskauer Patriarchat rechtfertigte Putins aggressiven Vernichtungsfeldzug. Es ist psychologisch und menschlich unvorstellbar, dass Teile des ukrainischen Volkes Patriarch Kyrill weiterhin als ihr geistliches Oberhaupt betrachten können.

Die Glaubwürdigkeit von Patriarch Kyrill ist durch den Krieg und seinen Umgang damit am Nullpunkt angelangt. Ivan Reves, ein aus den USA stammender Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, meint der Imperialismus der russischen Orthodoxie sei nicht christlich. Er sieht neben dem ideologischen auch einen praktischen Grund für Moskaus Machtanspruch: „Die Westukraine war ein Brunnen der geistlichen Berufungen für das Moskauer Patriarchat.“ Tatsächlich ist die Religiosität in der Ukraine weit höher als in Russland, wo das orthodoxe Selbstverständnis sich in einer kulturellen Identifikation erschöpft. Zwischen zwei und vier Prozent gehen sonntags zur Messe. Das „heilige Russland“ ist weithin Propaganda und Fassade.

Das Ansehen des Moskauer Patriarchats verfällt sogar im eigenen Land. 300 russisch-orthodoxe Theologen forderten Kyrill auf, seinen Ton zu ändern. Russland geht auf der Krim wie in den Separatistengebieten von Donezk und Luhansk brutal gegen Autokephale, Katholiken, Baptisten und andere religiöse Minderheiten vor. Von Religionsfreiheit kann unter Moskaus Knute keine Rede sein. mehr Informationen

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