Gebraucht zu werden, ist wie eine Droge

Sie verlieren sich im Gefühlsstrudel – und überschreiten manchmal die eigenen Grenzen und die der anderen. «Weil es ohne mich nicht geht. Sie sind wie eine Familie für mich.» Doch was sind die Helfer für die Flüchtlinge?

«Wenn man mit Flüchtlingen arbeitet, ist das Herz offen, auch wenn man weiss, dass man Distanz wahren sollte.» sagt Fabiola Bloch, Präsidentin des gemeinnützigen Vereins «Basel hilft mit» Wir dürfen sie nicht von uns abhängig machen! Also nicht Tag und Nacht verfügbar sein, ihnen alles abnehmen und sich dann ausgenutzt fühlen. Man müsse sich seiner Rolle als Helfende bewusst sein und sich distanzieren, um nicht Gefahr zu laufen, auszubrennen und sich zu verrennen. «Aber dazu ist man irgendwann nicht mehr in der Lage, wenn man sich zu gut dabei fühlt, gebraucht zu werden. Es ist wie eine Droge.» 

Eine Droge, die auch das schlechte Gewissen betäubt, so privilegiert zu sein im Gegensatz zu den Geflohenen. Der Rausch wird verstärkt durch all die Aufmerksamkeit, die man sich auf sozialen Medien holen kann. «Du bist eine Heldin», schreiben die Leute auf Facebook, wenn man ein Bild von sich mit Flüchtlingen postet. «Logisch fühlt sich das super an. Aber dann muss man sich fragen, warum man das alles eigentlich tut», sagt Bloch und ergänzt: Jeder, der helfe, ziehe einen Profit daraus, egal, wie sehr man sich aufopfere.

Den wenigsten ist bewusst, wie viel sie von sich geben. Nicht selten sind es die Angehörigen, die auf die Überempathie hinweisen; die einen aus Sorge, die anderen, weil sie sich zweitrangig fühlen, wenn die eigene Partnerin oder Mama sich plötzlich so für andere engagiert. Warum es Männer viel seltener betrifft, ist nicht so leicht zu beantworten. Fakt ist: Sie sind allgemein in der Minderzahl – ein Viertel der Freiwilligen ist männlich.

Die österreichische Journalistin Delna Antia hat für einen Artikel im multiethnischen Magazin ­«Biber» ebenfalls mehrere Frauen getroffen, die sich für Flüchtlinge aufopfern, und damit zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Eine der Porträtierten war eine 57-Jährige, die sich für einen 28-jährigen Iraker ins Zeug legte.

Das Gefühl zu wissen, «der Schlüssel für sein Weiterleben, ja für sein ganzes Dasein» zu sein, empfand sie als berauschend. Bis sie eines Tages zufällig herausfand, dass «ihr» Flüchtling noch andere Frauen hatte, die sich genauso intensiv um ihn kümmerten. Sie hätte mehr Dankbarkeit erwartet und war enttäuscht, weil er mehr Fremder war als Sohn.

Noch komplizierter wird es, wenn beim Helfen Gefühle ins Spiel kommen. Oftmals werden die Beziehung von einer der beiden Seiten missverstanden. Manche Geflüchtete könnten die Zuwendung nicht richtig einschätzen, weil in deren Kultur freiwilliges Engagement ausserhalb der Verwandtschaft nicht verankert ist. Helfende sind sich der kulturellen Unterschiede oft zu wenig bewusst und erstaunt, wenn die Flüchtlinge nicht wie erwartet reagieren.

Viele sind sich auch ihrer Rolle zu wenig bewusst und darüber, dass sie nicht so unverzichtbar sind wie sie meinen. Wich­tig ist, sich seiner Rolle und Motive bewusst zu werdenmehr Informationen

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