Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen

Kannst Du Dir vorstellen wie sich ein Putzteam fühlt, wenn kurz nachdem die Arbeit beendet ist, jemand mit dreckigen Gummistiefeln kommt und durch das ganze Haus läuft? Für mich ist das ein Bild geworden, wie sich wohl Gott fühlen muss, wenn er unsere Schulden vergeben hat und wir gedankenlos wieder alles verschmutzen. Der letzte Artikel handelte von der Vergangenheit. Heute schauen wir in die Zukunft. Es ist die Bitte, dass uns die Vergebung erhalten bleibt und wir uns nicht wieder neue Schulden aufladen.

Versuchung
Jesus lehrt uns beten: Führe uns nicht in Versuchung. Was ist eigentlich eine Versuchung? Meinte Jesus damit die Schokolade oder den Kuchen, welche in unserem Mund das Wasser zusammenlaufen lassen? Ich glaube, Jesus dachte bei dieser Bitte an etwas ganz anderes. Um eine Antwort zu erhalten, müssen wir uns mit der Geschichte befassen, in der die erste Versuchung vorkam. Adam und Eva waren nach dem biblischen Bericht in einem wunderschönen Garten. Gott hatte ihnen den Auftrag gegeben, ihn zu bebauen und zu bewahren. Ihnen war alles erlaubt bis auf eine einzige Sache. Mitten im Garten stand der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Gott sagte ihnen, dass sie von diesem Baum nicht essen dürfen, da sie sonst sterben werden. Adam und Eva fehlte es an Nichts im Garten, und am Anfang ging auch alles gut. Sie vertrauten Gott, und er segnete sie. Doch eines Tages wurden sie vom Teufel darauf aufmerksam gemacht, dass Gott ihnen vielleicht etwas vorenthalten habe.

„Meint ihr wirklich, dass Gott es gut mit euch meint? Das Gebot, das er euch gegeben hat, das schränkt euch doch nur ein. Bestimmt doch selbst, was für euch gut ist oder nicht“. Adam und Eva waren sich auf einmal nicht mehr so sicher. So schoss es ihnen durch den Kopf: „Können wir wirklich auf Gott vertrauen, oder sollten wir unser Leben besser in die eigenen Hände nehmen?“ Darauf aßen sie von den Früchten und gaben damit zum Ausdruck, dass sie Gottes Anweisungen nicht vertrauten. So entstand Schuld in ihrem Leben, denn Gott hat als Schöpfer das Recht, dass ihm seine Geschöpfe vertrauen.
Diese Vertrauensfrage ist heute genauso aktuell. Wollen wir Gott und seinen Anweisungen vertrauen, oder nehmen wir unser Leben lieber selber in die Hand? Jesus lehrt uns daher beten: „Führe uns nicht in Versuchung“. „Gott hilf uns, dass wir dir in allen Situationen vertrauen“.
Versuchung ist wie eine Wegkreuzung, vor der wir stehen. Wir können uns für oder gegen Gottes Anweisungen entscheiden. Versuchung an sich ist noch keine Sünde. Wenn uns verführerische Gedanken in den Sinn kommen, dann ist dies normal. Doch die Frage ist, wie wir mit solchen Gedanken umgehen. Stellen wir uns bewusst dagegen oder hängen wir ihnen nach und begehren auf einmal Dinge, von denen wir wissen, dass sie uns letztlich schaden. Zu Kain hatte Gott einmal gesagt: „Wenn du nicht recht tust, dann lauert die Sünde vor deiner Tür. Und nach dir wird ihr Verlangen sein. Du aber sollst über sie herrschen“ (1.Mose 4,7). Versuchungen sind wie Vögel. Wir können nicht verhindern, dass die Vögel über unseren Köpfen fliegen, aber wir können verhindern, dass sie ihre Nester darauf bauen.

Der Versucher
Wer versucht uns eigentlich? Die Möglichkeit zur Versuchung wurde von Gott geschaffen. Er schuf einen „Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ im Garten Eden. Ohne diesen Baum hätten die Menschen keinen freien Willen gehabt. Adam und Eva konnten sich für oder gegen Gott und seine Anweisungen entscheiden. Der Baum war wie eine Wegkreuzung, an der sie sich entscheiden mussten. Doch Gott hat den Menschen nicht aktiv versucht. Die Möglichkeit war einfach passiv da. Aktiv wurde dann der Versucher. Ein Engelfürst hat sich gegen Gott aufgelehnt und eine Widerstandsbewegung gründet. Unter den Engeln hat er bereits einige Anhänger gefunden. Gemeinsam versuchen sie jetzt, so viele Menschen wie möglich mit hineinzuziehen. Der Teufel scheut sich auch nicht, Gott herauszufordern und ahnungslose Menschen vor Gott zu verklagen. So hat er es auch mit Hiob gemacht. Hiob war ein gottesfürchtiger Mann, den Gott reich gesegnet hatte. Der Teufel sprach bei Gott vor und sagte: „Der Hiob vertraut dir nur, weil du ihm so viele Güter gegeben hast“. Da sprach Gott zum Satan: „Siehe, alles was er hat, das gebe ich in deine Hand. Nur gegen ihn selbst strecke deine Hand nicht aus“ (Hiob 1,12). Was mir dabei auffällt und mich auch beruhigt: Gott steckt dem Versucher klare Grenzen. Dieser hat zwar manchmal die Möglichkeit uns herauszufordern, aber nie weiter als Gott es zulässt. Im Jakobusbrief steht: Niemand sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht. Denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, er selbst aber versucht niemand (Jakobus 1,13).

Vom Versucher aus kommt die ursprüngliche Versuchung, Gott zu misstrauen. Doch die Versuchung hat viele Gesichter bekommen. Erich Sauer hat einmal gesagt: „Gott wollte, dass der Mensch das Gute tut und um das Böse weiß, aber jetzt weiß er was gut wäre und tut das Böse“. Dadurch, dass der Mensch das Böse zugelassen hat, ist es nun auch in uns angelegt. Es ist wie ein Virus, den man einmal bekommen hat und nun nicht mehr los wird. Und das Tragische ist, dass er von Generation zu Generation weitergegeben wird. So wurde die Versuchung ein Teil von uns. Sie entspringt nun in unseren Herzen. Wir müssen immer wieder neu lernen, auf Gott zu vertrauen. Weil auch unsere Umwelt von diesem Misstrauensvirus infiziert ist, bietet uns unser Umfeld oft keine Hilfe. Im Gegenteil: Es verleitet uns nur noch mehr, gegen Gottes Anordnungen zu handeln. Manchmal erlaubt es Gott auch, dass der Teufel direkt auf unser Leben einwirken kann. Paulus beschreibt das recht dramatisch: „Darum, dass ich mich nicht überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, dass er mich mit Fäusten schlage, damit ich mich nicht überhebe“ (2.Korinther 12,7). Auch Jesus wurde vom Versucher nicht verschont. In der Wüste wollte ihn der Teufel mit üblen Tricks verführen.

Verlierer oder Gewinner
Weil Jesus weiß, dass wir aus eigener Kraft in der Versuchung nicht bestehen können, lehrt er uns beten, dass sie erst gar nicht kommen soll. Wir werden mit den gottfeindlichen Mächten allein nicht fertig. Wer ohne diese Bitte bestehen will, muss zu Fall kommen. Gott verschont uns zwar nicht vor jeder Versuchung, aber er steuert sie, so dass sie uns zum Glaubensgewinn wird. Es gibt eine Versuchung, die den Gehorsam vollendet und den guten Willen stärkt. Von dieser Versuchung spricht Jakobus wenn er sagt: „Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen oder Glaubensproben geratet, indem ihr erkennt, dass durch solche Bewährungsproben euer Glaube fest und unerschütterlich wird“ (Jakobus 1,2-3). Die Bibel weist uns darauf hin, dass in der letzten Zeit die Versuchungen zunehmen werden. Gott wird es zulassen, dass der Teufel an uns herantreten darf. Doch diese Prüfungen dienen letztlich der Festigung unseres Glaubens.

Es gibt aber auch eine Versuchung, die den Ungehorsam vollendet und das Böse zum Fall ausreifen lässt. Von dieser spricht unser Gebet. Es ist die Bitte, dass Gott uns nicht in solche Lebenslagen kommen lässt, in denen wir nicht bestehen können. Die Bitte ist ähnlich der Bitte im hohepriesterlichen Gebet von Jesus. Dort sagte er: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen“ (Johannes 17,15). Gott ist es, der uns bewahrt, damit wir durch die Versuchung nicht von ihm abfallen. Eine hilfreiche Zusage sind die Worte von Paulus an die Korinther: „Gott aber ist treu. Er wird nicht zulassen, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird, so dass ihr sie ertragen könnt“ (1.Korinther 10,13).

Auch der Psalm 37 lässt uns getrost in die Zukunft sehen. Da heißt es: „Vom HERRN her werden eines Mannes Schritte gefestigt, und seinen Weg hat er gern; fällt er, so wird er doch nicht hingestreckt, denn der HERR stützt seine Hand“. „Lass ab vom Bösen und tue Gutes, so wirst du für immer im Lande wohnen! Denn der HERR liebt Recht und wird seine Frommen nicht verlassen; ewig werden sie bewahrt“ (Psalm 37,23-24.27-28).

Mit dem Gebet: Führe uns nicht in Versuchung, bekennen wir uns zu unserer Schwäche und distanzieren uns von einem falschen Selbstvertrauen. Wir sind uns bewusst, dass wir den Heiligen Geist brauchen, der uns zum Guten leitet. Wenn Gott uns Versuchungen zumutet, so sollen sie für uns wie der Gegenwind für ein Flugzeug sein: Im Gegenwind gewinnt ein Flugzeug an Höhe.

Von dem Bösen
Erlöse uns von dem Bösen. Ich stellte mir das Böse als ein Gesamtpaket vor. Von allem Bösen soll mich Gott erlösen. Im griechischen Urtext wird hier aber die Einzahl gebraucht. Es ist nicht die Summe von allem Bösen gemeint, sondern das personifizierte Böse, der Teufel persönlich. Adolf Schlatter übersetzt darum diese Passage so: „Erlöse uns vor dem Bösen“. Jesus weist uns nach der Bitte um Bewahrung vor Versuchung auf den Versucher selbst hin. Er ist die Person, von der alles Böse kommt und vor der wir uns klar distanzieren sollen. Wir bringen mit diesem Gebet zum Ausdruck, dass wir uns ganz bewusst von dem Bereich, in dem der Teufel auf uns einwirken kann, abwenden. Wir möchten nicht nur in der Versuchung bestehen, sondern von ihr befreit werden. Solange wir in dieser Welt leben, bleibt dies ein Wunsch. So seufzt Paulus einmal (Römer 7,24): „Ich elender Mensch! Wer wird mich von diesem todbringenden Leib erlösen?“ Es ist interessant, dass sich die ganze Schöpfung nach Befreiung sehnt. So steht in Römer 8,22: „Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung seufzt und unter Qualen auf ihre Neugeburt wartet.“

Und wir? Sehnen wir uns nach unserer Vollendung oder bleiben wir in der Gegenwart stecken? Lange hielt man den Christen vor, dass sie sich auf den Himmel vertrösten und die Gegenwart vergessen hätten. Heute betonen wir vielleicht zu oft die andere Seite. Wir leben in der Gegenwart und haben dabei die Vollendung schon fast vergessen. Sehnen wir uns noch nach der vollendeten Erlösung? Sehen wir noch, dass wir und unser Umfeld erlösungsbedürftig sind? Uns geht es doch gut. Wir haben uns eine Sicherheit und einen Wohlstand aufgebaut, die einem Ballon gleichen. Ein Ballon ist schön. Alles ist und läuft rund. Er ist imposant, aber in einem Nu ist nichts mehr da.

Der Böse ist sehr geschickt, indem er uns dazu verleitet, auf das momentan Irdische zu sehen. Er bringt es immer wieder fertig, uns durch seine geschickten Täuschungsmanöver abzulenken. Er spielt uns vor, dass wer an Gott glaubt, ein Mensch sei, dem es immer besser geht und der sich immer besser fühlt. Doch wenn wir beginnen unser Leben aus Gottes Perspektive zu betrachten, sehen wir, wie übel es um uns und unsere Welt steht. Durch das Studium der Bibel erkennen wir auf einmal die Verlorenheit, von der wir früher keine Ahnung hatten. Ein Christ kann sich überhaupt nicht mehr abfinden mit dem Elend dieser Welt, der Not und der Gleichgültigkeit gegenüber Gott. Wer dies so richtig erfasst hat, der kann nur noch mit der Schöpfung seufzen. Rette uns! Befreie uns von dem Bösen. Wer Christus geschmeckt hat, der wird nicht mehr so leicht loskommen vom Hunger und Durst nach der besseren, nach der verheißenen Welt. Er bekommt Heimweh und hält Ausschau nach jener Welt, in der das Geschrei verstummt und der Schmerz nicht mehr sein wird; Wo der Kampf mit der Sünde beendet ist und wir mit Gott zusammen sind.

Erlöse
Christus schließt sein Gebet mit einem Seufzer und Notschrei: Erlöse uns von dem Bösen. Im griechischen Urtext steht für erlösen das Wort rhyomai. Es betont eine ganz spezielle Bedeutung von erlösen. Es gibt nämlich drei Worte, die wir im Deutschen mit erlösen übersetzen. Rhyomai wird verwendet im Zusammenhang mit Auslösen, Zurückkaufen und anschließend in Sicherheit bringen. So könnte man hier auch übersetzen: Bewahre und beschirme uns vor dem Teufel. Es ist die Bitte, dass uns das Heil, das wir in Jesus haben, erhalten bleibt.

Paulus brauchte auch dieses Wort als er den Kolossern schrieb: „Gott der Vater hat euch Anteil gegeben an seinem Reich des Lichts. Er hat euch herausgelöst aus der Macht der Finsternis und versetzt in das Reich von Jesus, seinem geliebten Sohn“ (Kolosser 1,12-13).
Gott hat uns aus dem Machtbereich des Teufels herausgelöst. Dies geschah durch das stellvertretende Sterben von seinem Sohn Jesus am Kreuz. Wer dies für sich in Anspruch nimmt, erhält Anteil an Gottes ewigem Reich. Und das Schöne ist, Gott selbst wird über unserem Leben wachen, dass wir nicht aus diesem Reich herausgerissen werden. Jesus hat einmal gesagt (Johannes 10,26-29): „Welche zu mir gehören, hören auf meine Stimme. Ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben.“

Jesus lehrt uns beten: Erlöse uns von dem Bösen. Er meint damit: Vater bringe du uns ans Ziel und vollende uns! Dies ist nicht die Bitte eines lebensmüden Menschen, der von der Welt genug hat, sondern es ist die Bitte eines lebenshungrigen Menschen. Hungrig nach dem Besseren, nach der Auferstehung und dem Leben. Er sieht den Morgenstern, der ihm den kommenden Tag ankündigt. Für ihn kommt das Beste noch. Er sehnt sich nach einem Leben bei Gott.

Text: Hanspeter Obrist

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