Europa wird nicht mehr ernst genommen

Das zeigt der Deal über Atom-U-Boote für Australien.

Es war eine schon fast brutale Lehrstunde in Geopolitik, die in erster Linie Frankreich, aber in der Folge auch der Europäischen Union gerade verpasst worden ist. In einem geheimen Deal zwischen Australien, den Vereinigten Staaten und Großbritannien wurde eine geplante französische Lieferung konventionell angetriebener U-Boote an Canberra gestrichen und durch ein ähnliches Geschäft ersetzt, nun allerdings mit atomar getriebenen U-Booten aus der Waffentechnologie der USA und Britanniens.

Australien sieht sich unter dem wachsenden Druck der aggressiven chinesischen Außen-, Wirtschafts- und Militärpolitik gezwungen, eine klare Frontstellung zu beziehen. Dies kann nur an der Seite der Vereinigten Staaten geschehen, jener pazifistischen Macht, die unter Präsident Joe Biden unbedingt Präsenz im pazifischen Raum zeigen muss. Nach dem überstürzt wirkenden Abzug aus Afghanistan darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, die USA würden in einer Fortsetzung der Trumpschen „America First“-Politik nun auch im Pazifik ihre globale Rolle negieren wollen.

Konventionell angetriebene U-Boote, wie sie Frankreich liefern konnte, sind wegen ihrer geringeren Reichweite nicht in der Lage, eine wesentliche Rolle bei der Überwachung des maritimen Raumes zu spielen. Was nun gebraucht wird, kann nur Großbritannien liefern. Die Briten verfügen seit 60 Jahren über die ursprünglich von den USA zur Verfügung gestellte und mit ihnen ständig weiter entwickelte nukleare Antriebstechnologie. Die Bewaffnung mit Tomahawk-Raketen kommt direkt aus den USA. 

Die Europäische Union ist weit davon entfernt, in einer Sicherheitspartnerschaft über den eigenen Kontinent hinaus ernst genommen zu werden.  mehr Informationen

Frankreich ruft seine Botschafter aus Washington und Canberra aus Protest gegen das U-Boot-Deal zwischen den beiden Ländern zu Konsultationen zurück. Die Vereinbarung wird als „Messer im Rücken“ bezeichnet. Frankreich hat seinen Botschafter bis jetzt noch nie aus den Vereinigten Staaten zurückgerufen.

Der Zwist belastet nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Yves Le Drian die Zukunft der Nato. „Man muss auch die Stärke der Allianz mit den Vereinigten Staaten hinterfragen“, sagte Le Drian dem Sender France 2. „In einer richtigen Allianz redet man miteinander und respektiert sich, das war nicht der Fall.“ Was geschehen sei, belaste das neue strategische Konzept des Militärbündnisses.

Australien wies den Vorwurf der Lüge zurück. Die australische Regierung habe ihre Zweifel am geplanten Kauf der französischen U-Boote gegenüber der französischen Regierung „offen und ehrlich“ geäußert, sagte Verteidigungsminister Peter Dutton dem Sender Sky News Australia. Das Rüstungsprojekt habe zudem Jahre hinter dem Zeitplan gelegen und das Budget sei überzogen worden, sagte Dutton. mehr Informationen

Nun hat Paris ein Treffen zwischen Verteidigungsminister Parly und seinem britischen Kollegen platzen lassen. Auch China und Nordkorea mischen sich ein.

China hatte das neue Bündnis kritisiert und als »extrem unverantwortlich« bezeichnet. Dadurch würden der regionale Frieden und die Stabilität untergraben, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking.

Nordkorea zeigt sich besorgt und hat angesichts des neuen Indopazifik-Sicherheitsbündnisses vor einem atomaren Wettrüsten in der Region gewarnt. »Dies sind äußerst unerwünschte und gefährliche Handlungen, die das strategische Gleichgewicht in der asiatisch-pazifischen Region stören und ein nukleares Wettrüsten auslösen werden«, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA einen Vertreter des Außenministeriums am Montag, 20.9.21.  mehr Informationen

Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson hat die Bedeutung des U-Boot-Streits mit Frankreich heruntergespielt. Das dem Streit zugrunde liegende neue Militärbündnis mit Australien und den USA «ist nichts, worüber sich irgendjemand Sorgen machen müsste. insbesondere nicht unsere französischen Freunde», sagte Johnson am Sonntag.

Australiens stellvertretender Premierminister Barnaby Joyce verwies auf die Unterstützung, die sein Land Frankreich während den Weltkriegen geleistet habe. Zehntausende Australier seien «auf französischem Boden gefallen». Australien habe es daher nicht nötig, Frankreich seine Zuneigung «zu beweisen».  mehr Informationen

Die USA bemühen sich um eine Beruhigung im Streit mit Frankreich wegen des U-Boot-Geschäfts mit Australien. Vertreter der Regierung Biden verhielten sich am Wochenende auffallend zurückhaltend und reagierten kaum auf die Anschuldigungen Frankreichs und die Rückbeorderung des französischen Botschafters aus Washington nach Paris. Nach amerikanischer Lesart hat Präsident Biden freilich schon lange seine Prioritäten in der Sicherheitspolitik klargemacht. Tatsächlich hat Biden seit seinem Amtsantritt in einem halben Dutzend Reden dargelegt, dass aus seiner Sicht das diktatorische China der größte und gefährlichste Rivale der USA und des gesamten demokratischen Westens ist. Dass Australien dabei für Washington ein wichtiger Verbündeter sein würde, war offensichtlich. Ebenso hätte man in Frankreich auch sehen können, dass Australien eher die USA als Frankreich wählen würde, wenn es sich im neuen Kalten Krieg zwischen China und den USA schon für eine Schutzmacht entscheiden muss. Die U-Boote sind die Mitgift, die nun diesen australisch-amerikanischen Pakt besiegeln. Aber die strategischen Implikationen sind weit größer. Und sie lagen für jeden, der sie sehen wollte, offen zutage. Vielleicht hätte Macron daran denken sollen, als er kurz vor Bidens Amtsantritt – und zu dessen Irritation – zusammen mit Deutschland schnell noch ein neues Investitionsabkommen der EU mit China durchdrückte. Aus amerikanischer Sicht machte Frankreich sich dadurch nicht gerade zu einem verlässlichen Partner in dem Konflikt, der Bidens Meinung nach die nächsten Jahrzehnte dominieren wird. Die Vorstellung, Frankreich oder auch die Europäer wollten ernsthaft den Anspruch erheben, eine indo-pazifische Macht zu sein, gleichrangig mit Amerika und China, amüsiert viele Beobachter in den USA eher als dass sie Respekt einflößt. Trotzdem bleibt der erhebliche diplomatische Schaden. mehr Informationen

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert