Entfernung der Wittenberger Judensau

21.6.22 Judenfeindliche Reliefs wie jenes an der Stadtkirche in Wittenberg sollten entfernt werden, meinen 35 Prozent der Deutschen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Tagespost-Umfrage. Dagegen sprechen sich 30 Prozent gegen eine Entfernung aus. Mit 25 Prozent geben auch sehr viele Befragten an, nicht zu wissen, ob sie sich für oder gegen eine solche Entfernung aussprechen sollen. Weitere elf Prozent möchten sich dazu nicht positionieren. Protestanten positionieren sich deutlicher für eine Entfernung. Katholische Befragte sind gespalten. Eine sehr deutliche Ansicht vertreten freikirchliche Befragte: Von ihnen sprechen sich 49 Prozent für dafür aus, dass judenfeindliche Reliefs entfernt werden sollten. Konfessionslose sprechen sich mit 36 Prozent relativ-mehrheitlich für eine Entfernung aus.

19.6.22 Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Wittenberger „Judensau“ als „falsche Entscheidung“ bezeichnet. Anfangs habe sie auch gedacht, eine entsprechende Bodenplatte erkläre die Skulptur doch als historisch. „Aber die ‚Judensau‘ beleidigt schlicht auch heute Jüdinnen und Juden“, schrieb die frühere Landesbischöfin von Hannover und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). „Die ‚Judensau‘ ist eine Hassbotschaft. Und Hassbotschaften gehören nicht in den öffentlichen Raum.“

14.6.22 Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hat sich die Kirchengemeinde deutlich von der Judenfeindlichkeit des Sandsteinreliefs distanziert. Die massiv diffamierende Plastik sei durch die späteren Inschriften auf einer Bodenplatte und Erläuterungen in ein Mahnmal zum Zweck des Gedenkens an die Diskriminierung und Verfolgung von Juden umgewandelt worden. Da dadurch der rechtsverletzende Zustand beseitigt worden sei, müsse die Schmähplastik nicht entfernt werden.

Dazu erklärt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster: „Das Urteil des BGH, dass die Schmähplastik nicht entfernt werden muss, ist nachvollziehbar. Allerdings vermag ich der Begründung des BGH insofern nicht zu folgen, als nach meiner Auffassung weder die Bodenplatte noch der erläuternde Schrägaufsteller eine unzweideutige Verurteilung des judenfeindlichen Bildwerks beinhalten. Die Kirche müsste sich jedoch klar zu ihrer Schuld bekennen und ihren jahrhundertelangen Antijudaismus verurteilen. mehr Informationen

30.5.22 Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Montag mit der Verhandlung zum Schicksal eines 700 Jahre alten Sandsteinreliefs begonnen, das die Fassade der Wittenburger Stadtkirche schmückt, wo einst Martin Luther gepredigt hat.

Der Fall wurde vom Kläger und Rechtsanwalt Michael Düllmann in Berufung gebracht, der vor untergeordneten Gerichten argumentierte, dass die Skulptur „eine Verleumdung und Beleidigung des jüdischen Volkes“ sei. Düllmann, der 1978 zum Judentum konvertierte, kämpft seit 2018 für die Entfernung des Objekts und fordert, es in das nahe gelegene Museum Lutherhaus zu bringen.

Obwohl eine Vorinstanz der Stadt Naumburg feststellte, dass die Skulptur in ihrem heutigen Zusammenhang keinen „verleumderischen Charakter“ aufweise und Düllmanns Bürgerrechte dadurch nicht verletzt seien, bezeichnete BGH-Richter Stephan Seiters das Relief als „Antisemitismus, eingraviert Stein“, und stellte fest, dass Düllmann als Jude, der nach dem Holocaust in Deutschland lebte, durchaus das Recht hatte, seine Entfernung zu fordern.

Seiters fügte hinzu, das Gericht müsse entscheiden, ob die 1988 unter der Skulptur angebrachte Hinweistafel „in ein Mahnmal umgewandelt“ werden solle. Die Gedenktafel mit deutschen und englischen Texten weist auf die Verfolgung der europäischen Juden und die sechs Millionen Todesopfer des Holocaust hin.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichtes hatte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, erklärt, es bedürfe der Anbringung einer Tafel, die das Schmährelief eindeutig erläutere und in den historischen Kontext einordne. Er sagte zudem, die Kirche müsse eine klare Abgrenzung und Verurteilung zum Ausdruck bringen. Das sei aus der aktuellen Erläuterung nach seinem Verständnis nicht ersichtlich.  

Schuster sagte weiter: „Die antijudaistische Geschichte der Kirche lässt sich nicht ungeschehen machen. Daher ist die Anbringung einer Erklärtafel besser, als eine solche Schmähplastik einfach zu entfernen und damit zu verleugnen.“

Der BGH, Deutschlands oberstes Zivilgericht, rechnet mit einem Urteil in dem Fall bis zum 14. Juni 2022. Düllmann hat angekündigt, den Fall vor das Bundesverfassungsgericht und sogar vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu bringen, sollte er vor dem BGH keinen juristischen Sieg erringen.

26.8.2016  In der Stadt Wittenberg befindet sich eine „Judensau“ aus dem Jahr 1305 (also vor der Reformation). Diese befindet sich an der Außenwand der Stadtkirche zu Wittenberg, in der auch Martin Luther einst gepredigt hat. Die Judensau ist eine Sandsteinskulptur, die einen Rabbiner dabei zeigt, wie er einem Schwein unter den Schwanz schaut. Zudem sind mehrere Juden dabei abgebildet, wie sie an den Zitzen der Sau trinken. Auf der Inschrift über dieser Skulptur steht „Rabini Shem hamphoras“. Dies ist eine etwas unverständliche Inschrift, die wahrscheinlich „shem ha-meforasch“ heißen soll. Dies bedeutet übersetzt „der volle ausgesprochene Name (Gottes)“. Die Skulptur ist eine von vielen, die in Deutschland noch immer in oder an Kirchengebäuden zu sehen sind.

In seinem Buch „Vom Schem Hamphoras“ (1543) kommentiert Luther die Judensau. Er greift den Antisemitismus des Bildnisses auf und erwidert diesen, wobei er sogar den Talmud in das Innere des Schweines setzt:

„Es ist hier zu Wittenberg an unserer Pfarrkirche eine Sau in Stein gehauen, darunter liegen junge Ferkel und Juden, die saugen, hinter der Sau stehet ein Rabbiner, der hebt der Sau das rechte Bein empor, und mit seiner linken Hand zeucht er den Pirtzel über sich, bückt und kuckt mit großem Fleiß der Sau unter dem Pirtzel in den Talmud hinein, als wollt‘ er etwas Scharfes und Sonderliches lesen und ersehen. Daher haben sie gewisslich ihr Schem Hamphoras.“

Diese vorreformatorische Skulptur ist bis heute ein Stein des Anstosses und verspottet den jüdischen Glauben. Sie soll entfernt werden, fordert eine Pedition.  Link zu Pedition.

Die Frankfurter Allgemeine (FAZ) fordert dagegen:

Mit Hinweis auf das nahende Reformationsjubiläum fordert nun der Londoner Theologe Richard Harvey, das Relief zu entfernen, weil es „bis heute ein Angriff auf Juden“ sei. Es solle, heißt es in der in vielen Sprachen publizierten Petition, „an einem anderen Ort in einem Rahmen ausgestellt werden, in dem der historische Bezug hergestellt werden kann“. Dabei übersieht Harvey, dass dieser Bezug an keinem Ort deutlicher und mit mehr aufklärerischem Gewinn hergestellt werden kann als an der Kirche, für die das Werk in propagandistischer Absicht geschaffen wurde – und wo es heute zu Diskussionen über Wurzeln und Folgen des Antisemitismus anregen kann. Das mittelalterliche Bildmotiv der Judensau findet sich an und in mehreren Dutzend Kirchen Europas. mehr Informationen

Also das vorreformatorische Motiv soll aufzeigen, das die Reformation und auch die heutige Kirche nicht bereit ist, antisemitische vorreformatorische Proklamationen zu entfernen. Das stellt den Bildersturm der reformierten Kirche in der Schweiz in eine neues Licht.

Interessant ist auch, dass es in Deutschland immer noch verboten ist, eine Hitlerfahne darzustellen.

Ist die Judensau wirklich ein schützenswertes Objekt oder ein Stein des Anstoßes den man entfernen soll?

In Basel Schweiz wurde die Abbildung einer geschnitzten «Judensau» im Münster 1996 entfernt.

„Basler Judensau“ im Basler Münster
(1432 – entfernt 1996, Foto: Samuel Althof)

Bericht vom MDR

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/dessau/wittenberg/judensau-antisemitisches-relief-bgh-entscheidung-juni-100.html

3 Gedanken zu „Entfernung der Wittenberger Judensau“

  1. Sehr geehrte Leser,

    ich bin für Toleranz und Respekt halten gegenüber Andersgläubigen, darum sollte man weder die Juden mit Thora noch die Muslime mit Mohamedkarikaturen in den Dreck ziehen. Es tut mir weh den Respektlosigkeit. Ich handle nach Michael 6: „Recht tun, Liebe und demütig sein“
    Allen Menschen Hoffnung und alles Gute! Silvia Freund

  2. Kunst?????? Herr sie wissen nicht was sie tun
    In der Bibel steht, wer Israel segnet, der wird gesegnet, wer Israel verflucht, wird verflucht.

Schreibe einen Kommentar zu Jda Wehrle Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert