Die geistige Okkupation Europas

Auszüge aus einem Interview mit Litauens Ex-Staatschef Vytautas Landsbergis bei Tichys Einblick.

Deutschland gleitet ein drittes Mal in den Sozialismus ab. Den Westeuropäern ist nicht nur das Gefühl für die Gefahr verloren gegangen, sondern auch das Gefühl für den Sinn des Lebens.

Ich denke, die Vorhersagen Dostojewskis bewahrheiten sich vor unseren Augen. Wenn es keinen Gott mehr gibt, ist alles erlaubt. Alles wird gleich, die Werte gehen verloren. Alles wird nichtig, außer kurzlebigen, nichtigen Sachen. Wir haben es mit dem zu tun, was Friedrich Nietzsche vorhergesagt hat, dem letzten Menschen: konfliktscheu, sicherheitsfixiert und verwöhnt. Ohne Ziele, ohne Werte. 

Ein richtiges Ziel wäre eine friedliche Koexistenz zwischen Menschen mit guten Absichten. Nicht gut ist es, wenn man selektiert, wen man fördert und auf wen man Druck ausübt, und diese Selektion dann damit rechtfertigt, das geschehe ja nur, um jemandem oder ei­ner Gruppe zu helfen.

Warum sind die linken Ideen heute noch oder wieder so populär?

Wer diesen Ideen anhängt, der braucht selbst nichts Gutes zu tun. Er fordert das Gute von den anderen, an­statt von sich selbst. Und wenn er nicht bekommt, was er will, dann macht er die anderen dafür verantwortlich, ist wütend auf die anderen, aber hinter­fragt nicht sich selbst.

Der Mensch liebt die Wahr­heit nicht. Er liebt es, den Spie­gel durch etwas anderes zu ersetzen – das ihm genau das Bild zeigt, das er se­hen will. Genau dieser Wunschspiegel ist die politische Korrektheit.

Der Kommunismus hat die Menschen unterteilt in solche, die es wert sind zu leben, und solche, die es nicht sind. Ich würde das als „Klassen“-­Rassismus bezeichnen. Daran wurde dann alles andere ausgerichtet – das Regime, die Diktatur. Und das Motto war immer: Wir haben die Wahrheit auf unserer Seite. Je­der, der gegen diese Wahrheit ist, ist ein Schädling. Und den muss man vernich­ten. Keine Gespräche mit dem Feind!

In Deutschland laufen heute viele sozialistischen Ideen hinterher, und wer das kritisiert, läuft Gefahr, als „rechts“ oder als „Nazi“ diffamiert zu werden. Erinnert Sie das an die Sowjetunion?

Ja. Es war ja schon damals so, dass man, wenn man Zweifel hatte, als verdächtig galt. Sozia­lismus – das steht für einen Umbau der Gesellschaft und des Lebens mit Gewalt, unter Berufung auf die angeb­lichen Gesetze der Geschichte. Denen ordnet man alles unter: Man bringt je­manden um, weil er aus der falschen Klasse ist, die falsche Hautfarbe hat und das falsche Grundstück besitzt.

Das ist der größte Betrug, dass man jetzt immer so tut, als gäbe es einen Unterschied zwischen den Totalitarismen, zwischen nationalem und internationa­lem Sozialismus. Aber den gibt es nicht. Nur die Lackierung ist anders. Die Diktaturen sind in ihrem Wesen alle gleich, sie sind alle faschistisch, sie setzen auf Gewalt und berufen sich auf eine Philosophie, um diese Gewalt zu rechtfertigen.

Die Deutschen begraben sich selbst. Bei ihnen ist es heute so, dass es als unanständig gilt, wenn man seine eigene Meinung hat, man muss das denken, was die Mehrheit denkt, das, was der Chef vorbetet.

Die Deutschen sind den Russen in ihrer Denkweise und in ihrer Mentalität sehr ähnlich. Sie passen sehr gut zu dem russischen Imperium, das Putin bauen will. Michail Jurjew beschreibt das ganz offen in seinem Buch „Das dritte Imperium“. Sinngemäß steht da: Ein enges Bündnis Russlands und Deutschlands ist unausweichlich, das ist für beide Länder sehr vorteilhaft, das hat schon Bismarck verstanden. Die angelsächsische Welt konnte das zweimal verhindern, aber das dritte Mal wird ihnen das nicht gelingen. Sobald Amerika schwach wird, wird Europa seine Souveränität verlieren. Die Frage wird nur sein, ob es unter dem Einfluss Russlands, eines russisch-deutschen Staates oder der islamischen Welt stehen wird.

Viele Politiker bei Ihnen hofften, Russland würde sich ändern und westliche Werte übernehmen. In Moskau war man klüger. Man wusste: Der Westen wird sich den Zuständen in Russland annähern und sich verkaufen. Daran arbeitet man hart, man gibt Milliarden aus, um Europa zu zersetzen. Wenn man die Gehirne besetzt, muss man keine Territorien mehr besetzen. Genau das erleben wir heute: die geistige Okkupation Europas.

In Deutschland ist die Überzeugung weit verbreitet, alle wollten doch nur Frieden. Stimmt die?

Klar. Auch Putin will Frieden. Stalin wollte den auch. Nur wollen sie den eben zu ihren Bedingungen. Wer ihre Bedingungen nicht erfüllt, der ist ein Feind, und mit dem kann man dann eben keinen Frieden haben. Es geht um Macht. Um Einfluss. Es ist sehr naiv, dass so viele im Westen das nicht verstehen. In Moskau macht niemand einen Hehl daraus, dass man ein großes russisches Imperium will.

Es ist sehr traurig, dass die Deutschen ihre Lektion nicht gelernt haben – aus der Geschichte, aus dem nationalen Sozialismus, aus dem DDR-Sozialismus – und dass sie jetzt offenbar ein drittes Mal in den Sozialismus abgleiten.  mehr Informationen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert