Das Ur-Evangelium und die Messias-Verheißung

Gott, der HERR, sprach zur Schlange: „Ich werde Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dir den Kopf zermalmen, und du, du wirst ihm die Ferse zermalmen“ (1.Mose 3,15).

Irenäus von Lyon (135–202) bezieht diese Aussage auf Jesus und Maria: „Er wurde von Maria geboren“ (Irenäus: Adversus Hereses, Buch III Kap. 23, 7. 21 bzw. V Kap. 21, 1.22).

Andere deuten diese Stelle als Voraussage einer natürlichen Feindschaft zwischen Frauen und Schlangen und sehen darin einen Hinweis, wie man Schlangen in den Griff bekommt, auch wenn man dabei aufpassen muss, dass man nicht von ihnen gebissen wird.

Die Schlange ist in diesem Kontext zuerst einmal der rebellierende Engel Luzifer (Jesaja 14,12), der den Menschen dazu brachte, Gott zu misstrauen, anstatt darauf zu vertrauen, dass alles, was Gott sagt, zu unserem Besten ist (1.Mose 3,19).

Es ist eine Gerichtsaussage an den Durcheinanderbringer (Diábolos) und eine Antwort auf den Fall des Menschen, mit der Prophezeiung, dass ein Mensch die Macht des Bösen besiegen wird. Dabei wird es der Schlange aber gelingen, diesen Menschen zu verletzen.

Die Nachkommenschaft der Schlange ist dabei im geistigen Sinn zu verstehen. Der Teufel hat keine leiblichen Nachkommen, aber er hat geistige Nachfahren. Damit sind Menschen und Engel gemeint, die von ihm angesteckt wurden. So sagte Jesus einmal: „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun“ (Johannes 8,44). Und in Matthäus 13,41 sagt er: „Der Menschensohn wird seine Engel schicken, damit sie alle aus seinem Reich aussondern, die andere zur Sünde verführt und sich gegen Gottes Gebote aufgelehnt haben“ (HFA).

Genauso könnte man auch die Nachkommen der Frau als geistige Nachkommen sehen. Doch das ergibt eigentlich keinen Sinn, da sich die Frau gerade vom Teufel hat vereinnahmen lassen und so ein Kind der Sünde geworden ist. Geistlich gesehen steht sie also auf der gleichen Seite wie die Schlange. Der logische Sinn ist daher, dass ein Nachkomme der Frau alle Nachkommen der Rebellion überwinden wird, indem der Kopf der Bewegung vernichtet wird. Gerade ein Mensch, den der Teufel soeben zu Fall gebracht hat, soll ihn zu Fall bringen.

Die einzige Person in der Bibel, die am Fuß verletzt wird, ist Jesus am Kreuz. Dort könnte man einwenden, dass der Teufel durch die Kreuzigung von Jesus noch nicht zerstört worden ist. Doch in der Bibel wird auch nicht behauptet, dass mit dem Tod und mit der Auferstehung von Jesus das Böse vollständig vernichtet wird, sondern dass dem Teufel die endgültige Macht entrissen wird. So schreibt Paulus an die Korinther (1.Korinther 15,55.57): „Wo ist, Tod, dein Sieg? Wo ist, Tod, dein Stachel? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus!“ Nachdem der Teufel am Anfang noch zu Jesus sagte: „Mir ist diese Macht“ (Lukas 4,6), sagt der auferstandene Jesus: „Mir ist alle Macht gegeben worden“ (Matthäus 28,18). Er rettet alle, die das wollen, aus der „Macht der Finsternis und versetzt [sie] in das Reich des Sohnes seiner Liebe“ (Kolosser 1,13).

Im Hebräischen steht das „zermalmen“ in diesem Vers in der männlichen dritten Person Singular. Somit muss man übersetzen: „Ich will Feindschaft setzen zwischen deinen Nachkommen und ihrem Nachkommen, er wird dir den Kopf zermalmen.“ Damit eröffnet sich die Perspektive eines Messias, der die Macht des Bösen brechen wird. Die alte lateinische Version der Bibel, die Vulgata, übersetzt fälschlicherweise: „Ipsa conteret caput“, d.h. „sie wird dir den Kopf zertreten“, während die in neuerer Zeit überarbeitete Neo-Vulgata schreibt: „Ipse conteret caput“, also: „Er zertritt das Haupt der Schlange.“

Im katholischen Katechismus steht: (410) Diese Stelle des Buches Genesis [Gen 3,15] wird ,,Protoevangelium“ genannt, da sie die erste Ankündigung des erlösenden Messias sowie eines Kampfes zwischen der Schlange und der Frau und des Endsieges eines Nachkommens der Frau ist. (411) Die christliche Überlieferung sieht in dieser Stelle die Ankündigung des ,,neuen Adam“ [Vgl. 1. Korinther 15,21-22.45], der durch seinen „Gehorsam bis zum Tod am Kreuz“ (Philipper 2,8) den Ungehorsam Adams mehr als nur wiedergutmacht [vgl. Römer 5,19-20].

Der eigentliche Widerstreit findet also zwischen den Nachkommen der Rebellion, die auch Menschen umfasst, und dem Menschen, der dem Bösen den Kopf zertreten wird, aber von diesem verletzt und gehindert wird, und seinen geistigen Kindern statt.

Das Heil des Menschen wird von Anfang an nicht in einem heilen Umfeld gesehen, sondern in der Überwindung des Bösen (Römer 12,21). Das geschieht, indem sich der Mensch für die Erlösung durch Jesus entscheidet. In Offenbarung 12,21 steht: „Sie haben ihn (den Verkläger) überwunden wegen des Blutes des Lammes und wegen des Wortes ihres Zeugnisses, und sie haben ihr Leben nicht geliebt bis zum Tod!“

Mit dem Angebot der göttlichen Gnade in Jesus wurde der Weg frei, sich das Heil nicht selbst zu schaffen, sondern es dankbar anzunehmen. Vergebung muss nicht erwirkt werden, sondern darf empfangen werden. Damit verliert das Böse seine Macht. Das Gesetz ist nicht mehr Forderung, sondern Wegweisung und Richtschnur. Gott hat uns zuerst geliebt, sogar als wir ihm noch feindlich gesinnt waren (1. Johannes 4,10). Indem er uns zuerst beschenkt, werden wir fähig, seine Liebe zu erwidern, welches die Zusammenfassung der biblischen Botschaft ist (Lukas 10,27): „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst“ (5. Mose 6,5; 3. Mose 19,18). Diese Liebe prägt nun auch das Verhältnis zu unserem Umfeld. Denn Liebe will den anderen nicht besiegen, sondern für die Liebe werben.

Den Teufel wieder ernst nehmen

Immer mehr Theologen plädieren dafür, die Bedeutung des Satans wieder neu zu beachten.

So sagte der Papst Franziskus bei der Messe in Santa Marta am Dienstag, 8. Mai 2018: Es gibt einen Feind und »Verführer«, der »unsere Neugier und unsere Eitelkeit« ausnutzt, indem er »Geschenke« verspricht, die in einem schönen »Päckchen verpackt sind, ohne uns sehen zu lassen, was drin ist«; ein Feind, der wie »ein tollwütiger und angeketteter Hund« ist, dem man sich nicht nähern sollte – denn andernfalls »beißt er dich, er zerstört dich« – und mit dem man sich nie auf einen Dialog einlassen darf, vielmehr muss er mit den Waffen des Gebets, der Buße und des Fastens bekämpft werden. Der Papst ging vom Tagesevangelium (Johannes 16,5-11) aus. Er begann seine Predigt mit der Beobachtung, »dass es der Heilige Geist sein wird, der uns begreifen lässt, dass der Herrscher dieser Welt bereits gerichtet ist«. Folglich weiterlesen

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