Tunesien im Aufruhr: Normalisierung mit Israel nicht erwünscht

Kaum ist die junge Regierung in Tunesien im Amt, da bläst ihr brutale Kritik entgegen: Tourismusministerin Amel Karboul hat es gewagt, nach Israel zu reisen. Hardliner fordern jetzt ihren Rücktritt.

Amel Karboul spricht sieben Sprachen, studierte in Deutschland, leitet seit 2007 ihr eigenes Unternehmen, schreibt nebenher an ihrer Doktorarbeit an der Universität Oxford und ist Mutter zweier Töchter. Die 40-jährige Tunesierin ist ein Multitalent, ein äußerst erfolgreiches noch dazu.

Nun soll Karboul als neue Tourismusministerin das angeschlagene Urlaubsland Tunesien wieder auf Vordermann bringen, am Sonntag verkündete Übergangspräsident Mehdi Jomaa die Mitglieder seines Kabinetts. Doch ausgerechnet in ihrem Heimatland schlägt der Tunesierin Karboul jetzt eine Welle der Ablehnung entgegen.

Als Unternehmensberaterin arbeitete Karboul nahezu auf der ganzen Welt, das Reisen gehörte zu ihrer täglichen Arbeit. Beste Voraussetzungen für eine Tourismusministerin – doch eine der Destinationen von Karboul ruft in Tunesien nun Kritiker auf den Plan: Sie soll auch nach Israel gereist sein. Übergangspräsident Mehdi Jomaa bestätigte am Dienstagabend vor Abgeordneten der Verfassungsgebenden Versammlung (ANC) zwar, dass Karboul im Rahmen eines Programms der Vereinten Nationen für ein Training palästinensischer Jugendlicher über den Flughafen Tel Aviv nach Israel eingereist sei. Nach einer rund sechsstündigen Befragung durch die Sicherheitsbeamten am Flughafen aber konnte besagtes Training nicht stattfinden. Der parteilose ANC-Abgeordnete Brahim Gassas hatte die designierte Tourismusministerin bereits zuvor lautstark aufgefordert: „Wenn du wirklich in den besetzten Gebieten warst – Israel erkenne ich nicht an – dann pack‘ deine Sachen und verschwinde!“.

Gassas ist keineswegs der einzige tunesische Politiker, der sich kritisch über die Ernennung Karbouls als Tourismusministerin äußert. Auch Issam Chebbi von der säkularen Al Joumhouri-Partei äußerte Bedenken. Der Abgeordnete Mourad Amdouri kritisierte in einer Rede vor der ANC deutlich, dass ein Mitglied der neuen Übergangsregierung ganz offensichtlich eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel akzeptiere.

Während der Verhandlungen über die neue Verfassung Tunesiens forderten einige Abgeordnete, die Normalisierung jeglicher Beziehungen zu Israel im Verfassungstext zu untersagen. Auch außerhalb der ANC wurde diese Forderung laut: So sprachen sich unter anderem Omar Chahed von der Partei El-Ghad und die Tunesische Liga für Toleranz (LTT) dafür aus, die Normalisierung der Beziehungen zu Israel in der neuen Verfassung zu kriminalisieren. Die Mehrheit der ANC-Abgeordneten lehnte dies ab, auch die islamistische Ennahda-Partei schloss sich dieser Ablehnung an.

Zwar wird in der neuen Verfassung auf einen Artikel verzichtet, der die Normalisierung der Beziehungen zu Israel kriminalisiert – die Präambel jedoch schafft klare Verhältnisse: Die ANC-Abgeordneten und Repräsentanten des tunesischen Volkes, heißt es dort, „möchten alle Opfer von Ungerechtigkeit (…) und Freiheitsbewegungen unterstützen, an deren Spitze die Bewegung zur Befreiung Palästinas steht“.

Am späten Dienstagabend stellte sich Übergangspräsident Mehdi Jomaa in einer ANC-Sitzung schützend vor seine Tourismusministerin Amel Karboul. Auch Teile der Zivilbevölkerung beziehen Position und riefen spontan eine Online-Petition zur Unterstützung Karbouls ins Leben. Der Versuch, ihre Eignung für die Übergangsregierung aufgrund beruflicher Reisen in Frage zu stellen, sei skandalös.

Amel Karboul selbst bot mittlerweile ihren Rücktritt an. Tunesischen Journalisten sagte sie, um ihre Aufgabe als Ministerin zu erfüllen, brauche sie die Unterstützung aller. Dass ihr Kurztrip nach Israel einen derartigen Skandal verursachen könnte, habe sie nie für möglich gehalten. Doch das Land braucht Urlauber – und Übergangspräsident Jomaa eine weltoffene und international erfahrene Ministerin. Er lehnte Karbouls Rücktrittsangebot daher ab.

Ob dadurch Tunesien ein sichereres Reiseland geworden ist, bleibt abzuwarten.

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