ISIS verstehen sich als die Muslime schlechthin

  • Wer Abu Bakr al-Bagdadi nicht als Kalifen anzuerkennt ist ein Apostat (Abgefallener)
  • Neun Männer gekreuzigt – einer überlebte
  • Unverheiratete Mädchen für den sexuellen Dschihad
  • Jerusalem ist das Ziel

Am ersten Tag des Fastenmonats Ramadan, hatte Abu Bakr al-Baghdadi, der Anführer der Isis-Milizen, sein Kalifat ausgerufen. Isis, der «Islamische Staat im Irak und in Syrien», heiße fortan nur noch «Islamischer Staat», er selbst nennt sich Kalif Ibrahim. Alle Muslime der Welt, so ließ Baghdadi verkünden, schuldeten ihm fortan Gefolgschaft. Die Idee von der Einführung der islamischen Herrschaft und der Errichtung eines Kalifats auf Erden ist nun nicht mehr nur Gerede, es ist Aktion. Viele Sunniten, die sich von der Regierung des schiitischen Premiers Nouri al-Maliki unterdrückt und verfolgt sehen, schlossen sich Isis an – oder verfolgten ihre Erfolge mit Zustimmung.

«Die Bande von Baghdadi lebt in einer Fantasiewelt. Sie machen sich etwas vor. Sie wollen einen Staat errichten, aber haben nicht die Mittel dazu», kritisierte ein Sprecher der islamistischen Armee des Islam in Syrien: «Man kann keinen Staat schaffen durch Plündern, Sabotage und Bombenanschläge.» Das von der Terrorgruppe ISIS ausgerufene Kalifat wird von islamischen Geistlichen in aller Welt abgelehnt. In den Medien bezeichneten sie Baghdadi als vom Glauben abgefallen.

Video von al-Baghdadi bei einer Predigt in der Nuriddin-Moschee von Mossul. In dem Video spricht al-Baghdadi zu seinen Anhängern und fordert sie auf, in sein Kalifat zu strömen.

Wer ist Kalif Ibrahim?
Abu Bakr al Bagdadi bezeichnet sich als der neue Herrscher über alle Muslime auf der ganzen Welt. Über ihn ist nicht viel bekannt. Al-Bagdadi trägt in Isis-Kreisen den erlauchten Namen Ibrahim Ibn Awwad Ibn Ibrahim Ibn Ali Ibn Muhammad al-Badri al-Haschimi al-Husseini al-Qureischi. Wichtig ist dabei der letzte Namensteil: al-Qureischi. Damit gibt der in Samarra geborene Iraker vor, zum Stamm der Qureisch zu gehören – jenem arabischen Stamm, dem auch der Prophet Muhammad angehörte. Ob das stimmt, ist bisher nicht zu prüfen gewesen. Kalifen sollten nach den ursprünglichen Regeln, die nach dem Tod Muhammads von dessen Zeitgenossen festgesetzt wurden, direkte Nachfahren des Propheten oder zumindest Stammesangehörige sein. Doch darüber streiten sich die Muslime, seit es den Islam gibt. Sunniten sehen diese Sache eigentlich nicht so eng. Aus der strittigen Nachfolgefrage geht auch die Spaltung der frühen muslimischen Gemeinden in Sunniten und Schiiten zurück. Letztere bestanden auf die direkte verwandtschaftliche oder zumindest Stammesverbindung.

Nach US-Informationen ist Abu Bakr al Bagdadi nach 1971 nördlich von Bagdad geboren. 2003 habe er sich den Extremisten angeschlossen, war auch mal in einem US-Militärgefängnis in Haft. Seit 2010 soll er an der Spitze von ISIS stehen. Wo er sich im Moment versteckt, ob in Syrien, wo ihn die USA im vergangenen Jahr vermuteten, oder im Irak, wovon Militärkreise dort ausgehen, ist nicht klar. Bagdadi soll ein guter Taktiker sein und viele ausländische Dschihadisten angeworben haben – auch Europäer.

Ein Kalifat, also einen theokratischen Staat unter Führung eines Nachfolgers des Propheten Muhammad, ruft man nicht zum Test aus. Entweder dieser „Staat“ hat Bestand oder Isis wird irgendwann untergehen. Entscheidend für das Gelingen dieser Vision ist die Akzeptanz der Muslime in der Region und weltweit. In der Deklaration, die die Isis-PR am Sonntag verbreitet hat, werden alle Muslime aufgefordert, Abu Bakr al-Bagdadi als Kalifen anzuerkennen. Andernfalls seien sie Apostaten. Ab jetzt hat kein anderer islamischer Staat auf der Welt eine Daseinsberechtigung. Es sei an der Zeit, dass die große Nation der Muslime wieder erwache und um die Verwirklichung des vermeintlichen Paradieses auf Erden kämpft.

Das Kalifat als theokratische Staatsform wurde im Laufe der Zeit von Rechtsgelehrten immer wieder neu definiert und ausgelegt. Bis zu seiner Abschaffung durch die Osmanen im Jahr 1924 hatte das Kalifat nicht mehr viel mit den Vorstellungen der Urgemeinde gemein. Ein Kalifat kann theoretisch jeder Muslim ausrufen, der sich in der Tradition des Propheten Muhammad sieht und von genügend Gefolgsleuten, die ihm das glauben, legitimiert wird.

Es ist naheliegend, dass die heutigen Dschihadisten mit ihrem Kalifat eher an das aus der Zeit des Propheten anknüpfen wollen. Doch auch damals gelang es nicht ohne weiteres, ein Kalifat einfach so auszurufen und vor allem: zu halten. Blutige Kriege wurden um die Vorherrschaft geführt, oftmals bestanden zwei oder mehrere Kalifate parallel zueinander, bis das eine über das andere siegte. Das gilt für die Ummayyaden mit Sitz in Damaskus, die im Jahr 749 von den Abbasiden aus Bagdad abgelöst wurden, die wiederum in ihrer knapp 500 Jahre währenden Vorherrschaft von Konkurrenz- und Schattenkalifaten immer wieder in Frage gestellt und schließlich de facto entmachtet wurden.

Das Fußvolk könnte sich aber durchaus angezogen fühlen. Schließlich ist der Isis-Staat der erste Neo-Gottesstaat, der konkretere Formen annimmt. Für den Moment dürfte die Ausrufung des Kalifats noch mehr Geblendete aus aller Welt ins Kampfgebiet locken. Isis ist längst eine internationale Organisation, die in diesem Sinne auch eine absurde Romantik für Dschihad-Touristen bereithält.

In Tikrit wie in Mosul haben die Dschihadisten bislang vergleichsweise moderat geherrscht – womöglich, um ihre sunnitischen Partner nicht zu verschrecken. Auch in Syrien setzten sie ihre steinzeitliche Vorstellung von Recht und Religion erst durch, nachdem sie allein die Kontrolle über Städte wie Raqqa innehatten.

In Syrien hat die Isis nach Angaben von Menschenrechtlern acht Menschen getötet und gekreuzigt. In Deir Hafer im Osten der Provinz Aleppo habe Isis am Samstag acht rivalisierende Aufständische hingerichtet, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Männer seien anschließend auf dem zentralen Platz des Dorfes ans Kreuz geschlagen worden und sollten dort drei Tage lang hängen bleiben. Ein neunter Mann sei in Al-Bab nahe der türkischen Grenze acht Stunden lang gekreuzigt worden, er habe die grausame Bestrafung aber überlebt.

Im Mosul forderte Isis, dass die unverheirateten Mädchen für den sexuellen Dschihad freigegeben werden. Auf Plakaten war zu lesen: „Wir rufen alle Leute in diesem Land auf, die unverheirateten Mädchen zu bringen, so dass diese ihre Pflicht im Sex-Dschihad für die Krieger erfüllen können. Wer nicht erscheint, wird die volle Konsequenzen der Sharia erfahren.“ Nach Zeugenberichten haben Isis Kämpfer Männer umgebracht und die Frauen vergewaltigt.

Nach einem Sprecher von Isis, wollen sie alle Grenzen von Irak, Jordanien und Libanon aufheben bis sie Jerusalem erreichen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Unterstützung seines Landes für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im Irak und für den Kampf Jordaniens gegen „islamischen Extremismus“ zugesagt.

Die erste Nachfolge (arabisch «Chilafa») übernahm der Mohammed-Vertraute Abu Bakr bis zum Jahr 634. Mit drei Nachfolgern gehört er zur Gruppe der vier «rechtgeleiteten» Kalifen. Während der Kalif zunächst nur als Nachfolger des Propheten galt, setzte die Familie der Umajjaden später die Doktrin durch, wonach er auch Stellvertreter Gottes auf Erden sei. Die Umajjaden errichteten ab 660 in Damaskus die erste Kalifen-Dynastie, später wurden sie von den Abbasiden in Bagdad abgelöst. Zum Teil gab es innerhalb der islamischen Welt mehrere Herrschaften: Neben den Abbasiden behaupteten die Umajjaden seit Ende der 920er Jahre ein Kalifat in Andalusien. Kalifen waren unter anderem Gesetzgeber, setzten Normen für das religiöse Leben und schufen Verwaltungsstrukturen. Zentrum der islamischen Welt war ab 750 Bagdad unter Herrschaft der Abbasiden. Die Mongolen aber eroberten die Stadt im 13. Jahrhundert, von 1534 an gehörte sie zum Osmanischen Reich. Der Titel des Kalifen hatte in der Folgezeit einen unterschiedlichen Stellenwert.

König Abdullah von Saudi-Arabien hat in einer Ansprache zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am Sonntag einen entschlossen Kampf gegen den Extremismus angekündigt. Einige Muslime würden, „irregeleitet durch falsche Appelle, Reform und Terrorismus verwechseln“, kritisierte der König mit Blick auf die Dschihadistengruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS). „Wir werden nicht zulassen, dass eine Handvoll Terroristen, die den Islam zu ihren persönlichen Zwecken missbrauchen, die Muslime terrorisieren und unserer Heimat Schaden zufügen“, warnte der König laut der staatlichen Nachrichtenagentur SPA. Mit der Hilfe Gottes werde der Staat weiter „diese Plage bekämpfen“ Zugleich gilt Saudi-Arabien neben den Golf-Staaten als wichtigster Unterstützer islamistischer Rebellengruppen in Syrien und im Irak. ISIS und andere radikale sunnitische Gruppen wie Al-Kaida stellen jedoch für Saudi-Arabien eine Bedrohung dar, da sie die Saudi-Monarchie für illegitim halten und ihr das enge Bündnis mit den USA vorwerfen.

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Quellen: Bazonline  tagesschau.de n-tv.de jpost.com zeit.de clarionproject volksblatt.at

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