Diplomatisches Erdbeben

Warum gibt die arabische Welt Amerika solch einen Stellenwert? Wurden die „Friedensverhandlungen“ mit Amerika oder mit Israel geschlossen? Nun soll das Anerkennen der Wirklichkeit ein Riesenfehler sein?

(Update: Nachdem die Rede war ist klar geworden, dass das Problem, mit der Anerkennung Jerusalems von Trump ist, dass darin sich nach seinen Angaben die Klagemauer, die Via Dolorosa und die Al-Aqsa-Moschee befinden. Russland hat diese Orte (Ost-Jerusalem) als palästinensische Hauptstadt anerkannt. Trump spricht aber auch davon, dass er keine Stellung zu irgendwelchen endgültigen Statusfragen nimmt und dies Sache der beteiligten Parteien sein.)

Am Dienstag hatte Trump Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und dem jordanischen König Abdullah II gegenüber telefonisch seine Absicht bekräftigt, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen zu wollen. Wobei bis jetzt noch unklar ist, was genau verkündet werden soll. Möglich wäre auch, eine Anerkennung von Jerusalem als Israels Hauptstadt durch den Präsidenten, doch die Verlegung der Botschaft aus Sicherheitsgründen zunächst, vielleicht sogar auf Jahre hinaus, zu suspendieren. 1995 hatte der amerikanische Kongress die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels beschlossen, Präsidenten dabei aber die Möglichkeit eines Aufschubs von einem halben Jahr gewährt, der endlos weiter verlängert werden kann, was alle Präsidenten bis jetzt getan haben.

Die palästinensischen Fraktionen in der Westbank erklärten am Dienstag, angesichts der zu erwartenden Entscheidung von US-Präsident Donald Trump bezüglich der amerikanischen Jerusalem-Politik «drei Tage der Wut und des Protestes» abhalten zu wollen.

Nach Angaben der Palästinenser werden die Proteste heute Mittwoch beginnen und mindestens bis Freitag anhalten.

Die Mehrheit der Aktivitäten wird in Stadtzentren in der Nähe amerikanischer Botschaften und Konsulate erwartet. Bereits jetzt ist bekannt, dass für Donnerstagmittag ein Hauptmarsch in Ramallah geplant ist, zu dem Sympathisanten aus der ganzen Westbank erwartet werden. Schon heute Mittwoch soll es in Jenin eine grosse Kundgebung geben.

Jordanien will für Samstag und Sonntag eine Notstandssitzung der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Kooperation einberufen. Ayman Odeh, Vorsitzender der Vereinigten  Arabischen Liste, nannte den US-Präsidenten einen «Pyromanen», der die ganze Region mit seinem Wahnsinn entzünden könnte.

(Dabei machen die Amerikaner ja gar nichts – wenn sie ihren Briefkasten wieder in ihr Gebäude des US Konsulats in Jerusalem verlegen).

 

Der arabische Knessetabgeordnete Ahmed Tibi nennt den vermuteten Entscheid Trumps, seine Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, einen «politischen Terrorakt».   mehr Informationen

Scheich Ahmed el-Tayeb, ein wichtiger Sunni-Imam aus Ägypten sagte, dass sich die „Pforten der Hölle“ öffnen werden, wenn die USA Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkenne und die Botschaft dorthin verlege.

Es ist erstaunlich, was für einen Einfluss, eine Umsetzung eines Kongressbeschlusses von einem Drittstaat in Israel haben soll. Täter werden auf einmal zu Opfern. Komisch, wie die ganze arabische Welt Amerika einen solch hohen Stellenwert gibt. Eigentlich müsste man das einfach ignorieren.

Von den 160 Staaten, die mit Israel diplomatische Beziehungen unterhalten, respektiert keiner Jerusalem als israelische Hauptstadt. Sie haben ihre Botschaften in Tel Aviv. Mehr als symbolische Bedeutung hat das allerdings nicht. Indem Botschafter ihre Beglaubigungsschreiben in der Residenz des Staatspräsidenten in Jerusalem abgeben, anerkennen sie implizit Jerusalem als Hauptstadt Israels.

Wann Trump die Botschaft nach Jerusalem verlegen will, wurde nicht bekannt. Laut Beobachtern in Ramallah könnte Trump den «Entscheid über den Entscheid» verschieben. Seinen Jerusalem-Fahrplan will der US-Präsident heute 1 Uhr Ortszeit (Europa 19 Uhr) in einer mit Spannung erwarteten Rede verkünden.

Nun soll das Anerkennen der Wirklichkeit ein Riesenfehler sein? Die Islamische Welt würde in Aufruhr sein, heißt es. Ist sie das nicht längst? Und was hat das mit Israel und Jerusalem zu tun? Nichts!

Der Weltkirchenrat zeigte sich besorgt angesichts der US-Pläne. Ein solcher Schritt könne den gesamten Nahen Osten destabilisieren und eine Zwei-Staaten-Lösung unmöglich machen, warnte der Generalsekretär des Weltkirchenrates, Olav Fykse Tveit (Genf). Auch Papst Franziskus äußerte sich besorgt. Jerusalem sei Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen heilig, betonte Franziskus. Die Stadt habe eine besondere Berufung zum Frieden. Ist die Stadt nicht mehr heilig, wenn sich eine Botschaft eines Staates darin befindet?

 Der Theologe und Journalist Johannes Gerloff (Jerusalem) erklärte gegenüber idea, er verstehe die Aufregung über die Ankündigung der USA nicht. Seit 1995 gebe es dort ein Gesetz, das Jerusalem als Sitz der US-Botschaft vorschreibt. Es werde nur alle sechs Monate wieder ausgesetzt. Und für Israel sei Jerusalem ohnehin seit 70 Jahren die Hauptstadt des Landes: „Dass ausländische Staaten einem souveränen Land vorschreiben wollen, wo es seine Hauptstadt einrichtet, ist eine absolute Ausnahme.“ Gerloff rechnet nicht mit einem großen Aufstand der Palästinenser. Die radikalislamische Terrororganisation Hamas sei dazu nicht in der Lage und die palästinensische Autonomiebehörde wolle den Anlass nur nutzen, um sich auf der Bühne der Weltpolitik zu präsentieren. Gerloff: „Wo leben so viele Anhänger der drei großen Weltreligionen in dieser Weise zusammen wie in Jerusalem? Die Muslime dürfen hier laut zum Gebet rufen. Sie haben mehr Freiheiten als zum Beispiel in Deutschland.“ Das wollten die Palästinenser nicht aufs Spiel setzen. 

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