Die Sehnsucht nach einem Messias

Die Sehnsucht nach besonders begnadeten Persönlichkeiten, die uns von den Übeln dieser Welt erlösen und in ein „verheißenes Land“ oder ein „goldenes Zeitalter“ führen, ist ein uraltes Bedürfnis des Menschen. Die Hoffnung auf einen göttlichen Messias (Gesalbten, Christus) hat religionsgeschichtlich seinen Ausgangspunkt im Judentum, wo es unzählige unterschiedliche Messiasgestalten gibt.

Was ist ein Messias?
Der Ursprung des messianischen Begriffs stammt aus 3. Mose 4,3. Dort bezeichnet er Begriff einen gesalbten Priester. Das gleiche Wort wird später auch für Könige und Propheten verwendet. Sogar der König von Persien, Cyrus, wird vom Propheten Jesaja als „Messias“ bezeichnet, da er eine göttliche Aufgabe zu erfüllen hatte. In Jesaja 45,1 steht: „So spricht der HERR zu seinem Gesalbten, zu Kyrus“. Ein Messias ist also eine gesalbte Person mit einem göttlichen Auftrag, der nach jüdischer Auffassung nur für die irdische Herrschaft zuständig ist.

Der einzigartige Messias
In der Torah und den Propheten schwang jedoch bei allen Messiastexten auch immer die Erwartung auf einen besonderen Messias mit, der grundlegende Veränderungen einleiten würde. Er sollte einerseits dem Volk Israel sowohl politisch als auch geistlich die vollkommene Erlösung und andererseits der gesamten Menschheit moralische Vollkommenheit bringen.

Jüdische Vorstellungen über den Messias
Nach jüdischer Vorstellung wird die Rückkehr zu Gott durch das Blasen des Schofars (Widderhorn/Horn des Messias) eingeleitet. Auf die Reue des Volkes folgt dann die Erlösung. Die Stämme Israel und Juda werden wieder vereint, die Verstoßenen kehren aus dem Exil zurück, Harmonie und Friede werden auf Erden herrschen. Einigen Propheten zufolge wird materieller Überfluss herrschen, der Boden wird fruchtbar sein, Kranke und Behinderte werden gesund und das menschliche Leben verlängert werden. Gotteserkenntnis breitet sich überall aus. Ein neues Herz und ein neuer Geist werden erschaffen. Hesekiel spricht andererseits auch vom endzeitlichen Kampf gegen Gog und Magog, der mit dem Sieg Gottes endet. Ihm folgt die Auferstehung der Toten, wobei die Gerechten zum ewigen Leben, die Frevler aber zu ewiger Finsternis erwachen werden. Das Ziel ist, den Menschen ins verlorene Paradies zurückzuführen, wie es Jesaja 11,6-9 schildert, wo der Wolf, das Lamm, der Löwe und andere Tiere zusammen mit dem Menschen friedlich miteinander existieren.

Der Messias als Heiland
Nach rabbinischer Auffassung wird der Messias nicht als gnädiger Heiland einer einzelnen Seele angesehen, sondern als Herrscher, der für Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgt und Frieden zwischen den Völkern stiftet. Damit das Friedensreich des Messias kommen kann, bedarf es der Anstrengung des Menschen und der tätigen Reue und Rückkehr zu Gott. Die Vorstellung eines himmlischen Gnadengeschenkes ist dem rabbinischen Denken fremd.

Ben Josef und Ben David
In der rabbinischen Literatur entwickelten sich zwei Messiasgestalten: den Messias Ben Josef und den Messias Ben David. Der Messias Ben Josef soll zuerst die Verstreuten sammeln und den Tempeldienst in Jerusalem wieder einrichten. Er wird beim Angriff der widergöttlichen Mächte Gog und Magog erschlagen und sein Körper wird unbeerdigt in den Straßen Jerusalems liegen bleiben. Nach einer anderen Überlieferung wird er in himmlische Sphären entrückt werden. Schließlich folgt die endgültige Erlösung durch den Messias Ben David.

Messiaserwartungen zur Zeit Jesu
Zur Zeit von Jesus gab es unterschiedliche Messiaserwartungen.

Die Sadduzäer waren die sachlich Liberalen. Sie lehnten jede übernatürliche Einwirkung ab. Gott ist ein schöner Gedanke, doch er hat nichts direkt mit dem Leben zu tun. Religion ist eine schöne erhaltenswerte Tradition. Doch mit dem Tod ist alles fertig. Sie haben sich religionspolitisch engagiert, weil ja das aktuelle Wohlbefinden für sie wichtig ist. Viele von ihnen waren Mitglieder im Hohen Rat. Wichtig waren die Grundregeln in der Torah (5. Bücher Mose). Sie lehnten einen „göttlichen“ Messias ab. Die Position der Sadduzäer erklärt sich weniger durch Reflexion sondern durch Ritus, weniger durch Theologie als durch Politik.  Alle Hohenpriester waren unter den Römern Sadduzäer und wurden von ihnen ein- und abgesetzt. Josephus, ein jüdischer Historiker, schreibt (bell. II 163‐166): „Die Sadduzäer leugnen die Vorsehung gänzlich und nehmen von Gott an, er stehe jenseits des Bösen und sehe es nicht einmal an. Sie sagen vielmehr, die Wahl des Guten und Bösen liege beim Menschen und gemäß der von jedem einzelnen getroffenen Entscheidung trete jeder dem einen oder anderen bei. Die Fortdauer der Seele aber und die Bestrafungen und Belohnungen in der Unterwelt lehnen sie ab.“ Und in „Altertümern“ (ant. XVIII 1,4): „Die Lehre der Sadduzäer lässt die Seele mit dem Körper zu Grunde gehen und erkennt keine anderen Vorschriften an als das Gesetz.“ (Gesetz = fünf Bücher von Mose). Der in der Bibel erwähnte Josef Kajaphas (18–36) war der Schwiegersohn von Hannas und galt als korrupt (tMen 13,21; bPes 57a).

Die Pharisäer waren konservativ. Sie erwarteten, dass wenn alle Juden nach den ihren Geboten lebten, Gott auf übernatürliche Art eingreifen wird. Sie beachteten auch die Propheten und Psalmen. Ein knappes Portrait zeichnet Flavius Josephus, De bello Judaico II 162ff.: „Die Pharisäer, die erste Gruppe, stehen im Rufe akribischer Gesetzesauslegung; alles schreiben sie der Vorsehung und Gott zu. Gerecht zu handeln oder nicht, hänge zwar vor allem von den Menschen selbst ab, jedem aber werde auch von der Vorsehung geholfen. Zwar sei jede Seele unsterblich; aber in einen anderen Leib gehen nur die der Guten über, die der Bösen aber werde durch ewige Schande bestraft.“

Die Zeloten sind die Macher. Wie waren eher Praktiker als Theoretiker. Sie wollen ein messianisches Reich (Theokratie – Gottesstaat auf Erden) errichten und lehnen die römische Herrschaft ab. Was dann zum zelotischen Aufstand gegen die Römer führte (66-70 n. Chr), jedoch ohne die jüdischen Nachfolger von Jesus. Josephus schreibt (ant. XVIII 1,6): Sie stimmten „mit den Pharisäern überein, dabei aber mit großer Zähigkeit an der Freiheit hängen und Gott allein als ihren Herrn und König anerkennen. Sie unterziehen sich auch jeder möglichen Todesart und machen sich selbst nichts aus dem Morde ihrer Verwandten und Freunde, wenn sie nur keinen Menschen als Herrn anerkennen müssen.“

Die Essener-Bewegung ist eine mystische Ausrichtung des Judentums, die den liberalen Tempeldienst in Jerusalem ablehnte und ihre Gemeinschaft als den lebenden Tempel Gottes verstand. Sie lebten für sich in gemeinschaftlichen Siedlungen, teilweise in Stadtvierteln streng nach der Torah und ihren eigenen Regeln. Die Essener setzten auf eine geistliche Realität, die sie im Glauben annahmen, wie Abraham, auch wenn die ganz wörtliche Erfüllung noch ausstand. Sie lebten ein wenig in ihrer eigenen Welt. Zum engeren Kreis gehören die Männer. Ihre Hoffnung lag in einem priesterlichen und einem königlichen Messias, der die ‚Söhne der Finsternis‘ besiegen wird – nicht aber sie verändert. Josephus schreibt über sie: „Die sinnlichen Freuden meiden sie wie die Sünde, und als Tugend erblicken sie Enthaltsamkeit und Beherrschung der Leidenschaften. Von der Ehe denken sie gering. … Den Reichtum verachten sie, und bewunderungswürdig ist bei ihnen die Gütergemeinschaft … Wer in die Gemeinde aufgenommen
werden will, erhält nicht sogleich Zutritt. … Hat er die Probe der Mäßigung bestanden, tritt er einen Schritt näher; er nimmt an einer reinigenden Wassertaufe teil, wird jedoch zum gemeinsamen Mahl noch nicht zu gelassen … Kräftig lebt bei ihnen die Überzeugung, vergänglich seien zwar die Leiber und der Stoff sei nichts Bleibendes, die Seelen aber seien unsterblich und würden für immer bestehen (De bello Judaico II 119‐168).

Die Samaritaner wurden als eigene Denomination wahrgenommen. Sie haben ein eigenes religiöses Zentrum auf dem Berg Garizim in Samaria (Gegend von Nablus / Sichem). Sie haben nur die 5 Bücher Mose. Das sind aus jüdischer Sicht, die nicht richtig Gläubigen. Doch auch sie haben eine messianische Hoffnung im wiederkommenden Propheten wie Mose, der in 5.Mose 18,15-19 verheißen wird. So sagt die Frau am Brunnen in Johannes 4,25: „Ich weiß, dass der Messias kommt, der Christus heißt. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.“

Wir sehen, Jesus war mit ganz unterschiedlichen Erwartungen an den Messias konfrontiert.

Warum wurde Jesus damals nur von wenigen als Messias / Christus anerkannt?
Gott erfüllt nicht unsere Erwartungen, sondern seine Verheißungen. Und das geschieht manchmal auf unerwartete Weise. Wenn wir Gott in unser Denkschema einzwängen wollen, verpassen wir manchmal eine Begegnung mit ihm.

In der Bibel wird die Erfüllung der Verheißungen ganz real erwartet, weil Gott zu seinem Wort steht. Doch sie berichtet auch davon, wie manche Menschen lange auf die Erfüllung einer Verheißung warten mussten oder sie gar nicht mehr erlebten. Doch es waren gerade diese Menschen, die Gott wegen ihres Vertrauens besonders hervorhob und segnete. Abraham erlebte das Versprechen Gottes nur im Ansatz.

Vernichtung des Bösen
Bereits im Paradies richtete Gott den Blick darauf, dass der Kopf der Schlange zertreten werden muss und sich dabei ein Nachkomme der Frau verletzen wird (1.Mose 3,15). Das Heil wurde von Anfang an nicht in einer heilen Welt in Israel gesehen, sondern in der Überwindung des Bösen.

Mit dem Angebot der göttlichen Gnade in Jesus wurde der Weg frei, sich das Heil nicht selbst zu schaffen, sondern es dankbar anzunehmen. Vergebung muss nicht erwirkt werden, sondern darf empfangen werden. Damit verliert das Böse die Macht. Indem Gott uns zuerst beschenkt, werden wir fähig, seine Liebe zu erwidern.

Gott offenbart sich auf eine ganz andere Weise, als viele Menschen erwarten. Unmöglich erscheint für viele, dass sich die biblischen Verheissungen auf die gleiche Person, die zweimal auf die Erde kommt, bezieht. Der erste der davon sprach war Jesus. Er sagte in Lukas 9,26: „Denn wer sich meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn schämen, wenn er in seiner Herrlichkeit kommt und in der des Vaters und der heiligen Engel.“ Auch die Engel sagten den Jüngern in Apostelgeschichte 1,11 „Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.“ 

Das Gott uns in Jesus besucht und Jesus als Kind geboren wurde, sprengt die Vorstellungskraft vieler Menschen. Sich darauf einzulassen war damals und ist heute eine Herausforderung.

Doch wer sich darauf einlässt, erlebt einen Gott, der uns in allen Situationen versteht.

Text: Hanspeter Obrist / Dezember 2016 / ergänzt 2018 / 2020 / 2023

Siehe auch:
Das Ur-Evangelium und die Messias-Verheißung
Die jüdischen Messiaswunder
Ein Prophet wie Mose – Ist der jüdische Messias Mohammed oder Jesus?

6 Gedanken zu „Die Sehnsucht nach einem Messias“

  1. Warum wird immer nur von einem männlichen Messias geschrieben? Der Schöpfer hat sich einst im männlichen Körper von Jesus offenbart, der einem Justizmord zum Opfer gefallen ist und nicht stellvertretend ür die Sünden der Menschheit am Kreuz starb. Das hat Jesus Zeit seines Lebens nie gesagt, dass er einen Opfertod für die Sünde der Menschheit stirbt. Unsere religiöse und auch historische Geschichte ist völlig verfälscht worden. Es wäre jetzt an der Zeit, dass wir einen weiblichen Messias erwarten. Frauen wurden schon immer durch Religion und Kirche unterdrückt und für gering geachtet. Doch unser Schöpfer lässt sich nicht weiter unterdrücken und verachten. Daran glaube ich. Der Schöpfer handelt immer anders, als der Mensch denkt. Die Macho-Männerwelt neigt sich dem Ende. Seit bereit und offen für ein Wunder.

    1. Hallo Anna

      Der christliche Glaube ist eine Offenbarungsreligion. Es gibt andere Wunschreligion. Jedem steht es offen einen anderen Glauben mit weiblichen Akteurinnen anzunehmen.

      Jesus wurde gekreuzigt, weil er mit seinen Worten indirekt nach der kulturellen Begebenheit zum Ausdruck gab, dass er Gottes Sohn ist. Dass er sich mit Gott auf eine Ebene stellt, wurde als Gotteslästerung verstanden (Matthäus 26,65).

      Johannes sagt in Johannes 1,29: «Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!» Jesus hat dem nicht widersprochen.

      Er selbst sagt Johannes 10,11: «Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe» und in Matthäus 20,28: «Wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.»

      Der christliche Glaube ist revolutionär. Paulus schreibt in Galater 3,28: «Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.»

      Das dies nicht immer umgesetzt wurde, liegt nicht an der Botschaft, sondern am Bodenpersonal. Frauen sind nicht aus sich heraus besser. Alle Menschen sind hilfsbedürftig und brauchen nach der Bibel Erlösung.

      MfG Hanspeter

  2. Hallo Hanspeter, deine worte auf Anna ihren Komentar kann i nich verstehen. Anna hat recht mit ihrer Meinung. Ihr Christen macht es euch sehr einfach.1 mal ein Mann als messias immer ein Mann oder wie? Es geht nicht darum das Frauen besser sind es geht drum dass Kirchen und die Christenheit Frauen immer unterdrückt haben. Ob das der gott der liebe so will, hm? Ich weiß nich. Was Paulus schreibt im Galater das alle gleich sind Männer u Frauen das wird in der Kirche aber nicht gelebt.der Mann will dass die Frau dem Mann unterthan ist.Das ist bei uns so in der Gemeinde u das is nich in Ordnung. Alles nur Heuchelei und ich überleg ob ich aus der Kirche austrete,weil meine Frau das such sehr ungerecht findet. Sie ist studierte Ärztin und soll Männern im der Gemeinde untertan sein. In welcher Zeit leben die Christen? Schlafen die alle und rennen sie immer noch mit Maske zum beten in ihre kirche? Dat sehe ich hier bei uns leider.Nix für ungut, aber gut, dass Christen nicht entscheiden welchen Wert die Frauen haben sondern unser großer Schöpfer von beiden Geschlechtern. Gruss Helmut

    1. Du musst meine Antwort genau lesen. Es ist nicht an uns zu bestimmen, wie Gott und sein Messias zu sein haben. Gott offenbart sich so wie er will. Ebenso verteidige ich die Fehlentwicklungen in der Kirche nicht. In Christus ist Mann und Frau gleichwertig. Dennoch ist es interessant, dass Frauen und Männer andere Interessen haben. Zum Beispiel: Warum ziehen Männer in den Krieg und verteidigen ihr Land?

  3. Ein weiterer guter Ausgangspunkt, der uns hilft, dieses wichtige Thema zu verstehen, ist Offenbarung Kapitel 13 Vers 8. Die Person, die wir Jesus nennen, war das Lamm, das vor Grundlegung der Erde geschlachtet wurde. Offenbarung Kapitel 13, Vers 8 verweist auf die Worte Johannes des Täufers.

    1. In 1.Petrus 1,20 heisst es: „Ausersehen dazu war er vor Grundlegung der Welt, erschienen aber ist er am Ende der Zeiten, um euretwillen“. Jesus wurde nicht vor Grundlegung der Erde geschlachtet, sondern dazu ausersehen, durch seinen Tod und Auferstehung das Böse zu besiegen.

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