Die mysteriöse Wasserflasche

Leseprobe Kapitel 1 aus dem Buch: Zu Fuß als Ehepaar nach Jerusalem (Hanspeter und Annemarie Obrist)

Am Stephanstag 2010 sitzen wir beide mit leerem Wasserbeutel hinter einer geschlossenen Tankstelle. Zum ersten Mal seit Beginn unserer Wanderung sagt Annemarie: „Jetzt han ich abär würkli Durscht.“[1] Aber woher sollten wir Wasser nehmen?

In Mazedonien haben wir uns entschieden, uns der örtlichen Tradition anzupassen und Weihnachten erst am 7. Januar zu feiern. Vor vier Tagen haben wir nun die griechische Grenze überquert und zu unserer Überraschung festgestellt, dass man hierzulande die Geburt von Jesus bereits am 25. Dezember feiert. Nach einer Diskussion, ob wir unsere Pläne nun wieder ändern sollten, haben wir uns gesagt: „Unsere Route führt bis auf Weiteres an der Hauptstraße entlang. Wenn wir Weihnachten erst im Januar feiern, können wir jetzt im Dezember die beiden Festtage zum Wandern nutzen, ohne von vorbeidonnernden Lastwagen gestört zu werden.“ Gesagt, getan. Wohlweislich haben wir für zwei Tage Essensvorräte gekauft und im Rucksack verstaut. Den Wassersack haben wir jedoch nur halb gefüllt, da wir damit gerechnet haben, ihn unterwegs in einem Tankstellen-Shop nachfüllen zu können. Wir wollen wenn irgend möglich auf unnötiges Gewicht verzichten.

Annemarie hatte bereits in ihrer Kindheit gelernt, mit Entbehrungen zu leben. Auf dem elterlichen Bauernhof gehörte es für sie und ihre zwei älteren und zwei jüngeren Geschwister zum Alltag, bei Feld-, Stall- und Waldarbeit mit anzupacken. Da gab es auch mal durstige Momente.

„Es wird schon gehen, auch wenn ich ziemlich ausgetrocknet bin“, sagt sie jetzt hinter der halb zerfallenen Tankstelle. Hanspeter hilft ihr, den schweren Rucksack wieder auf die Schultern zu hieven. Sein eigenes Gepäck nimmt er wie üblich zuerst auf die Knie und befördert es dann mit Schwung auf den Rücken.

Normalerweise wandern wir auf der linken Straßenseite, um den entgegenkommenden Autos gezielter ausweichen zu können. Da auf dem vor uns liegenden Abschnitt der rechte Straßenrand sehr breit ist, wählen wir diesmal die rechte Seite. Ab und zu weichen wir einer Wasserlache aus, die der Regen vom Vortag hinterlassen hat.

„Halt!“, ruft Annemarie keine zehn Minuten später wie aus heiterem Himmel. „Ein Wunder!“ Verdutzt bleibt Hanspeter stehen. Er hat nichts bemerkt. Doch tatsächlich! Direkt vor uns steht eine volle 1,5 Liter-Wasserflasche mit versiegeltem Schraubverschluss, so als ob sie extra am Straßenrand abgestellt worden wäre. „Wie die wohl hierhergekommen ist?“ Wir haben keine Antwort darauf. Leere oder halb leere PET-Flaschen, die von Vorbeifahrenden aus dem Autofenster geworfen worden waren, haben wir schon öfter herumliegen sehen. Aber eine aufrecht stehende, volle, und dazu noch tadellos verschlossene? Ausgerechnet jetzt, wo wir sie so dringend benötigen? Es ist absolut unfassbar! Durstig trinken wir einen halben Liter der kostbaren Flüssigkeit und leeren den Rest in unsere Wasserbeutel. „Die Flasche nehme ich mit als Andenken“, sagt Annemarie zutiefst bewegt. Wortlos gehen wir weiter. Jeder verarbeitet dieses Wunder auf seine Weise. Hanspeter überlegt noch mehrmals, weshalb die Flasche nicht auf dem Boden lag und wie es kam, dass sie so sauber und luftdicht verschlossen wie aus dem Getränkemarkt dastand. Annemarie wird darin bestärkt, dass für Gott wirklich nichts unmöglich ist.      Fortsetzung

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[1]  Schweizerdeutsch für: „Jetzt habe ich aber wirklich Durst.“

Das Buch lässt sich zum Teil fast wie ein Krimi lesen, – was passiert als nächstes -. Ich war so neugierig, dass ich es in der Diagonale gelesen habe, nun muss ich noch ins Detail. Den Aufbau mit den QR-Codes finde ich ganz gewaltig. Für meine Wahrnehmung würde ich dieses Werk als Buch mit 3-D Effekt, d.h. mit Tiefenwirkung bezeichnen. Y.B.

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