Die Krux mit Israels neuem Nationalstaatengesetz

Nach der Annahme des israelischen Nationalstaatsgesetz am 19. Juli 2018 ändert sich in der Praxis wahrscheinlich nichts. Israel ist bereits durch die Unabhängigkeitserklärung vom 15. Mai 1948 als Nationalstaat für jüdische Menschen definiert. Jerusalem in seiner Gesamtheit ist seit 1980 per Grundgesetz unteilbare Hauptstadt des Staates Israel.

Nach wie vor hat Israel keine Verfassung sondern nur ein Flickenteppich von Grundgesetzen und Statements, die sich auch widersprechen. Es ist dann die Aufgabe der Anwälte und Richter herauszufinden, welche Rechte daraus in der Praxis entstehen. In der Regel haben arabische Menschen in Israel mehr Rechte als in arabischen Ländern.

Es gibt zum Beispiel im von Israel verwalteten Gebiet auch unterschiedlich Landrechte. Das osmanische, kirchliche, britische und israelische Landrecht. Je nachdem wo eine Liegenschaft steht, sieht alles anders aus.

Was durch das Nationalgesetz klar wurde, dass die jetzige Regierung sich nicht als Zufluchtsort der Millionen künstlich erhaltenen palästinensischen Flüchtlinge versteht. Doch auch das ist relativ, weil auch das Nationalgesetz durch ein neues ersetzt werden kann. So wie sich ein Land von einer Demokratie zur Diktatur und umgekehrt wandeln kann.

Unklar ist auch, warum das Grundgesetz nicht von israelischen Bürgern spricht, sondern vom jüdischen Volk. Wer gehört dazu? Die Juden sind sich da selbst nicht eins. Ist es die Art und Weise der Ausübung der jüdischen Religion, eine Frage der DNA oder der Nürnberger Rassengesetze?

Israel ist ein Vielvölkerstaat ist, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen in Frieden nebeneinander leben. Im Gegensatz dazu gibt es derzeit 16 Staaten, die einen „Jew Ban“ verhängt haben, also ein Einreiseverbot für Juden: Algerien, Bangladesch, Brunei, Iran, Irak, Kuwait, Libanon, Libyen, Malaysia, Oman, Pakistan, Saudi-Arabien, Sudan, Syrien, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Jemen. Einige dieser Länder hassen Israel so sehr, dass sie sogar Nichtjuden, die das Land als Touristen oder als Geschäftsleute besucht haben, nicht einreisen lassen.

Hier eine Übersetzung des Gesetzes:

Grundgesetz: Israel als Nationalstaat des jüdischen Volkes

1. Grundprinzipien
A. Das Land Israel ist die historische Heimat des jüdischen Volkes, in dem der Staat Israel gegründet wurde.
B. Der Staat Israel ist die nationale Heimat des jüdischen Volkes, in der es sein natürliches, kulturelles, religiöses und historisches Recht auf Selbstbestimmung erfüllt.
C. Das Recht auf nationale Selbstbestimmung im Staat Israel ist einzigartig für das jüdische Volk.

2. Die Symbole des Staates
A. Der Name des Staates ist „Israel“.
B. Die Staatsflagge ist weiß mit zwei blauen Streifen an den Rändern und einem blauen Schild Davids (Davidstern) in der Mitte.
C. Das Staatswappen ist eine siebenarmige Menorah mit Olivenblättern auf beiden Seiten und darunter das Wort „Israel“.
D. Die Nationalhymne ist die „Hatikvah“.
E. Details zu Staatssymbolen werden vom Gesetz festgelegt.

3 . Die Hauptstadt des Staates Jerusalem, vollständig und vereint, ist die Hauptstadt Israels.

4. Sprache
A. Die Sprache des Staates ist Hebräisch.
B. Die arabische Sprache hat einen besonderen Status im Staat; die Regelung des Einsatzes von Arabisch in staatlichen Institutionen oder durch sie wird gesetzlich geregelt.
C. Diese Klausel berührt nicht den Status, der der arabischen Sprache vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gegeben wurde.

5. Einsammeln der im Exil lebenden
Der Staat wird stets offen sein für die jüdische Einwanderung und die Einwanderung von Exilanten

6. Verbindung zum jüdischen Volk
A. Der Staat wird sich bemühen, die Sicherheit der Mitglieder des jüdischen Volkes, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer Staatsbürgerschaft in Schwierigkeiten oder in Gefangenschaft sind, zu gewährleisten.
B. Der Staat soll innerhalb der Diaspora die Beziehung zwischen dem Staat und den Mitgliedern des jüdischen Volkes stärken.
C. Der Staat soll das kulturelle, historische und religiöse Erbe des jüdischen Volkes unter den Juden in der Diaspora bewahren.

7. Jüdische Siedlung
A. Der Staat betrachtet die Entwicklung von jüdischen Siedlungen als einen nationalen Wert und wird seine Gründung und Konsolidierung bestärken und fördern.

8. Offizieller Kalender
Der hebräische Kalender ist der offizielle Kalender des Staates und daneben wird der Gregorianische Kalender als offizieller Kalender verwendet. Der Gebrauch des hebräischen Kalenders und des Gregorianischen Kalenders wird vom Gesetz bestimmt.

9. Unabhängigkeitstag und Gedenktage
A. Der Unabhängigkeitstag ist der offizielle Nationalfeiertag des Staates.
B. Der Gedenktag für die Gefallenen in Israels Kriegen und der Holocaust- und Helden-Gedenktag sind offizielle Gedenktage des Staates.

10. Tage der Ruhe und Sabbat
Der Sabbat und die Feste Israels sind die etablierten Tage der Ruhe im Staat; Nicht-Juden haben das Recht, an ihren Ruhetagen und Festen zu ruhen; Details zu diesem Thema werden gesetzlich festgelegt.

11. Unveränderlichkeit
Dieses Grundgesetz darf nicht geändert werden, außer durch ein anderes Grundgesetz, das von einer Mehrheit der Knesset-Mitglieder verabschiedet

58 Prozent der israelischen Öffentlichkeit befürworten das neue Gesetz, und nur 34 Prozent lehnen es ab. Das ergab eine Umfrage von Walla.

Rund 180 israelische Künstler, Autoren und Intellektuelle verlangen in einem Offenen Brief an Premier Netanyahu und den Knessetabgeordneten die Annullierung des Nationalstaatsgesetzes.

Die Palästinensische Autonomiebehörde hat ein eigenes Grundgesetz verabschiedet (bereits 2003), das einen zukünftigen palästinensischen Staat eindeutig als einen arabischen Staat definiert, in dem der Islam die vorherrschende Religion, die Scharia das Gesetz und Arabisch die einzige Amtssprache ist .  Das israelische Gesetz ist eine Reaktion darauf. Der israelisch-palästinensische Friedensprozess sieht die Bildung separater arabischer und jüdischer Staaten vor. Die palästinensische Führung hat den arabischen Staat einseitig erklärt und den jüdischen Staat abgelehnt. Israel, oder Teile in ihm, sah sich gezwungen, einen ähnlichen einseitigen Schritt zu unternehmen.   mehr Informationen

Markante Teile vom palästinensisches Grundgesetz
Ausgestellt in Ramallah am 18. März 2003
Artikel 3
Jerusalem ist die Hauptstadt von Palästina.
Artikel 4
1. Der Islam ist die offizielle Religion in Palästina. Die Achtung vor der Heiligkeit aller anderen göttlichen Religionen soll erhalten bleiben.
2. Die Grundsätze der Islamischen Scharia sollen eine Hauptquelle der Gesetzgebung sein.
3. Arabisch ist die Amtssprache.

Nachdem das israelische Nationalitätsgesetz auf Widerstand in Teilen der drusischen Gemeinde Israels gestoßen war, konnte nun am 1.8.2018 ein Kompromiss zwischen Ministerpräsident Netanjahu und den drusischen Gemeindeleitern geschlossen werden.

Der Kompromiss mit den Drusen sieht vor, ein neues Gesetz zu erlassen, das den Status dieser Gemeinde festlegt. Das Gesetz soll im Winter vorgelegt werden. Dort wird festgehalten, dass die Drusen einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit des Staates leisten und dass ihre religiösen, kulturellen und Bildungsinstitutionen Förderung erhalten werden.

Es werden jedoch auch die Rechte aller Minderheiten in diesem neuen Gesetz festgehalten, allerdings erhalten nur solche Minderheiten Zuschüsse, deren Mitglieder in der Armee dienenmehr Informationen

Die Welle der Debatte rund um das neue Nationalgesetz reißt nicht ab. Nun haben sich 40 israelische ex-Diplomaten zu Wort gemeldet.

Während am Samstagabend 4.8.18 auf dem Tel Aviver Rabin-Platz fast 90’000 Menschen gegen das umstrittene Nationalgesetz demonstrierten, sprachen sich 40 ehemalige israelische Botschafter und hochrangige Diplomaten ebenfalls gegen das Gesetz aus.

«Gleichberechtigung kommt aus unserer Unabhängigkeitserklärung, die das konstitutionelle Dokument unserer Unabhängigkeit in unserem Land ist. Diese Erklärung und keine andere. »

«Wir bringen hiermit unseren Protest gegen die Gesetzgebung zum Ausdruck, die die Minderheiten unter uns ausschließenAraber, Muslime, Drusen, Christen, Tscherkessen und andere

«Während unserer Dienstjahre für den Staat Israel konnten wir den Nationen der Welt stets in die Augen blicken und ihnen mit ehrlichem Herzen erklären, dass Israel als die einzige Demokratie im Nahen Osten … die Gleichberechtigung zwischen seinen verschiedenen Komponenten aufrecht erhält. »  mehr Informationen

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